Harry G: Tiraden über Kitz und Tegernsee

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Früher war Harry G Ski-Freerider. Heute schimpft der Bayer beruflich über die Münchner Schickeria – die sich nicht zuletzt über Kitzbühel definiert.

Eigentlich sind Harry Gs liebste Hassobjekte ja rosa Pullover auf den Schultern tragende, Porsche im Halteverbot parkende Stammkunden des Oanser (oder hochdeutsch P1), Münchens berühmtester Schnöseldisco. Aber manchmal lässt Harry G auch von der Schickeria ab – und widmet sich stattdessen etwa Richard Lugner. Montagvormittag hat Harry G ein Video über den österreichischen Bundespräsidentschaftskandidaten auf Facebook gestellt, fünf Stunden später hatten es 185.000 Menschen gesehen.

Harry G tut darin, was er immer tut: Er sagt „Dinge, die einfach einmal gesagt werden müssen“. Das ist oft sehr, sehr lustig (und manchmal, wie im konkreten Fall, ein bisschen weniger, was dann aber auch egal ist, denn im Zweifelsfall ist immer noch Harry G selbst lustig, so mit seinem Dialekt und seinem Hiatl und seinem Grant).

Angefangen hat alles mit einem Video über die „Isarpreißn“, also Neo-Münchner mit innerdeutschem Migrationshintergrund („nie Randgruppen, nur innerdeutsche Mehrheiten“), die in Lederhose Tagesausflüge an den Tegernsee oder den Starnberger See unternehmen und so tun, also würden sie bayrisch sprechen. „Ich wollt ja nur sagen, dass dieser Zustand Scheiße is, dass jeder, der nach München zieht, meint, er muss ein Vollbayer sein“, sagt G, oder Markus Stoll, wie er im echten Leben heißt. Als nächstes nahm er sich das Oktoberfest vor. „Das hat den Leuten aus der Seele gesprochen, weil jeder irgendwie im Nachhinein drauf gewartet hat, dass jemand einmal die Zustände auf der Wiesn behandelt.“

Berater und Low-Carb-Burger

Damit war eine Karriere geboren. Denn eigentlich hatte Stoll ja BWL studiert, nachdem sein Vater erklärte hatte, damit könne man alles machen („Ich hab ihm eh gesagt, ich mag gar net alles machen, weil das ist ma z'viel.“). Immerhin, als Studienort hatte er sich Innsbruck ausgesucht, eine logische Wahl für einen Freerider. Dann begann er zu arbeiten, „aber es hat mir net getaugt“, weshalb er eine kleine Agentur für Internetmarketing gründete, mit der er allerdings auch nicht rasend erfolgreich war. Just als er sich wieder einen „normalen“ Job suchen wollte, stellte er die ersten Wiesn-Videos online – „Fügung.“

Seither produziert Stoll in loser Folge schnell geschnittene Tiraden über Unternehmensberater und Start-up-Gschaftler, Vapiano und Low-Carb-Burger, SUVs und den „München-Look“ und trifft damit stets ziemlich ins Schwarze. „Der Witz ist, du musst ein zeitloses Werk schaffen, in dem du einen Zustand, ein Genre für immer entwertest. Du kannst jetzt einen Burgerladen aufmachen, aber du weißt, der Harry G hat schon mal gesagt, dass du damit der 20. in der Straße bist, nur dass wir uns verstehen.“

Seine Beobachtungsgabe hat der Sohn einer Münchnerin schon früh geschärft. „Ich bin ein Einzelkind, das heißt, du bist ständig mit 50-jährigen Menschen unterwegs – deinen Eltern und ihren Freunden.“ Da bleibe einem wenig anderes übrig, als genau hinzuschauen, und er habe es immer schon faszinierend gefunden, „wenn ich mir Leut anschauen darf.“ Ganz besonders an Samstagen vor Weihnachten in der Fußgängerzone. „Es ist traumhaft. Da hat der Mensch keinen Platz, da entgleist er, da hilft nix.“

Den Kritisierten selbst gefallen Stolls Analysen offenbar auch – zumindest sei ihm bei seinen Shows inzwischen die hohe Range-Rover-Dichte auf dem Parkplatz aufgefallen. Aus Stolls Youtube-Clips ist inzwischen nämlich ein Programm geworden, mit dem der Bayer durch die Lande zieht – diese Woche auch in Österreich. „Von den Leuten, die da kommen, kennen sehr viele München“, glaubt er.

Wobei: Dort, in München, definiere man sich ja über Kitzbühel. Das sei die Außenstelle, deren Namen man freilich tunlichst nicht erwähnt, „weil das peinlich wäre, man will ja nicht snobbish klingen. Also: Man fährt nicht mehr nach Kitzbühel, sondern rein. Und wenn man reinfährt, ist man drin. Das ist, wie wenn ich sag, wir fahren dieses Jahr wieder 'nunta. Und jeder weiß, dass es um Monte Carlo geht. Dann gibt's natürlich noch die Gardasee-Deppen. Die müssen noch dazu sagen, dass sie an den Gardasee fahren.“

ZUR PERSON

Harry G alias Markus Stoll wurde in Regensburg geboren, wuchs am Schliersee auf, studierte in Innsbruck und Buenos Aires und lebt seit 2006 in München. Mit einem Video zur Wiesen 2013 begann seine Laufbahn als Comedian. Seit Mai 2014 ist er mit dem Bühnenprogramm „Leben mit dem Isarpreiß“ auf Tour. Heute Abend tritt er im Wiener Stadtsaal auf, es folgen Graz (16. 3.), Leonding (18. 3.) und Salzburg (ausverkauft). Mit seinem zweiten Programm #HarrydieEhre kommt er im Jänner 2017 nach Salzburg und Wien. www.harry-g.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2016)

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