Brasilien: Lula wird Superminister

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Präsidentin Rousseff holt ihren Vorgänger in die Regierung: Das bewahrt Lula da Silva vorläufig vor möglichen Korruptionsklagen.

Buenos Aires/Brasilia. Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva wurde es offenbar zu gefährlich, nur noch Lichtgestalt zu sein. Er rückt in die Regierung von Dilma Rousseff. Schon kurz nachdem Ermittler vor zehn Tagen Lulas Haus durchsucht und den Gründer der Arbeiterpartei PT zum Verhör abführt hatten, hatte Rousseff ihrem Vorgänger und Förderer angeboten, in ihre Regierung einzutreten.

Als neuer Kabinettschef ist er nun unangreifbar für die Staatsanwälte aus dem südbrasilianischen Curitiba, die seit anderthalb Jahren die schmutzigen Verbindungen zwischen Brasiliens ökonomischer und politischer Elite in immer neuen Ermittlungsschritten aufblättern. Und die seit ein paar Wochen an der Spitze der Macht angekommen sind: Lula wird verdächtigt, das mächtigste Korruptionsgeflecht in Brasiliens Geschichte orchestriert zu haben.

Seit 2004 schmierten Baufirmen Politiker aus Lulas Regierungskoalition, um an Aufträge des staatlichen Ölriesen Petrobras zu kommen. Justizkreise sprechen von bis zu vier Mrd. Dollar Schmiergeld, das für die Finanzierung der Wahlkampagnen genutzt wurde, die den PT-Führern Lula sowie Dilma Rousseff 2006, 2010 und 2014 Siege bescherten. Lula wird vorgeworfen, er nutze ein Landhaus und ein Strandappartement, die auf fremde Namen liefen und deren aufwendige Ausstattung der Baukonzern OAS bezahlt habe, eine der inkriminierten Firmen. Lula spricht von einer „Kampagne der konservativen Opposition und des Großkapitals“, die darauf abziele, den „erfolgreichsten Präsidenten dieses Landes“ zu vernichten.

Massen-Demos gegen Roussef

Über die Avenida Paulista, jene imposante Hochhausschlucht durch São Paulo, wurden bei einer Demo am Sonntag Lula-Puppen im Sträflingsanzug getragen. Das ist noch ein Wunsch. Sicher ist, dass anderthalb Millionen Brasilianer über die Paulista marschierten und ein Ende der Regierung Rousseff forderten – und dass die mächtigsten Aufmärsche in der Geschichte des Landes mit landesweit 3,6 Millionen Teilnehmern den Druck erhöhten. Offenbar brachten sie den Ex-Präsidenten dazu, Rousseffs Angebot eines Regierungseintrittes ernsthaft zu erwägen.

Lula hatte gezögert, wissend, dass eine Flucht in die Immunität wie ein Schuldeingeständnis wirken würde. Zunächst versuchte er mit der Bekanntgabe seiner Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2018, den Blasen des Sumpfes um ihn zu entkommen. Doch das brachte nicht viel mehr als Treueschwüre der eigenen Partei, die nur 70 der 513 Kongressabgeordneten stellt. Nun soll Lula als Minister der Präsidentschaft die Koordination des Kabinetts und Verhandlungen mit dem Kongress übernehmen. Verhandeln war stets die Schwäche der Ex-Guerillera Rousseff, aber es ist die große Stärke des Ex-Gewerkschaftsbosses Lula. Wichtig könnte das im Vorfeld des Amtsenthebungsverfahrens gegen Rousseff werden, das demnächst anlaufen soll. Die Präsidentin soll die Staatsfinanzen vor dem Wahlgang 2014 geschönt haben.

Mitten im Petrobras-Skandal

Tatsächlich fast eine Kleinigkeit im Vergleich zu den Vorwürfen, die fast täglich auf Brasilia einprasseln: Am Dienstag wurden weitere Details aus der 400-seitigen Aussage des im November im Senat verhafteten PT-Fraktionschefs bekannt. Delcídio do Amaral beschuldigt Lula und Rousseff, das Petrobras-Geflecht geleitet zu haben, um Wahlkampagnen zu finanzieren. Zudem hätten sie Richter unter Druck gesetzt, um Verurteilungen zu verhindern.

Der von der PT verstoßene Senator verursachte großen Wirbel, als er bekannt gab, Dilma-Vertrauter und Erziehungsminister Aloizio Mercadante habe Geld angeboten, um ihn von einer Kronzeugenaussage abzubringen. Dementis der PT-Führung verstummten, als das Magazin „Veja“ einen Mitschnitt des Angebotes online stellte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.03.2016)

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