Georg Baselitz: "Politiker würde ich verkehrt rum malen"

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Merkel würde kein Bild von ihm aufhängen, sagt der deutsche Maler Georg Baselitz, und politische Kunst sei immer falsch. Er kritisiert das Links-rechts-Denken der Intellektuellen und rät Künstlern zur „aggressiven Ungläubigkeit“.

Sie haben den „Presse“-Lesern einen Adler zur Verfügung gestellt aus dem Jahr 2011. Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie den ersten Adler 1972 gemalt?

Georg Baselitz: Das kann stimmen. Ich habe immer Inhalte bevorzugt, die belanglos sind für die große Welt, sehr private, fast intime. Das mit dem Adler ist so entstanden: Ein Freund gründete ein Adler-Museum und bat mich um eine Zeichnung. Ich gab zu bedenken, der Adler wäre ja ein Symbol für Deutschland. Und dann machte ich es einfach nach einem Modell aus dem Biologiebuch. Später lieh Gerhard Schröder sich den gestürzten Adler aus einem Museum. Er meinte das zweideutig und bekam auch viele Anfeindungen zu spüren, weil er bei jeder Rede vor dem stürzenden Adler stand.

Sie waren ja von Anfang an ein sehr politischer Künstler.

Manchmal bin ich knapp der Staatsmacht entkommen. Damals mit den sogenannten Pornografien. Aber ihr habt das in Österreich auch gehabt – Günter Brus, Otto Mühl, Valie Export.

Hätten Sie gern, dass Angela Merkel ein Bild von Ihnen, wie den Adler, hinter ihrem Schreibtisch hätte?

Angela Merkel ist eine durch ihre ostdeutsche Vergangenheit belastete, unfreie Person. Sie würde so ein Risiko nie eingehen, außerdem mag sie es nicht.

Hat Sie die Tatsache, dass Sie aus dem Osten kommen, politisch gemacht?

Das war sehr schwierig für mich. Der Staat, an den ich glaubte, wie dort alle damals, stieß mich ab wie eine kranke Zelle. Das war zugleich mein Glück. Seit dieser Zeit habe ich große Skepsis gegen alles, was mir eine bessere Welt verspricht, sei es eine Religion, sei es eine Ideologie. Sobald Kunst politisch ist, ist sie auf dem falschen Weg, denn sie wird immer von den Siegerparteien ausgenützt. Alle Künstler waren im Nachhinein schlecht beraten, wenn sie sich hier verführen ließen. Künstler lieben den Schutz der Macht. Und die Macht braucht Künstler und nimmt sie gern auf. Sobald man sich darauf einlässt, ist man verloren. Es ist am besten, wenn Künstler der Macht aufgrund ihrer aggressiven Ungläubigkeit misstrauen.

Aber gerade jetzt entflammt wieder die Debatte: Muss Kunst nicht politisch sein?

Nein, ich glaube nicht an die guten Absichten der Politik. Die stellt viel zu viel den Eigennutz in den Vordergrund. Früher hat der König einen Hofmaler gehabt, das war irgendwie zeremoniell. Aber jetzt – immer wenn wir einen malen, malen wir den Falschen.

Können Sie sich nicht doch vorstellen, einen Politiker zu malen?

Davor bin ich gefeit! Es würde mich auch keiner fragen, weil ich ihn ja verkehrt rum malen würde. Mein Freund Immendorff hat den Schröder in Gold gemalt.

Noch einmal zurück zur Politik. Gerade in Deutschland ist die Forderung sehr groß, dass Kunst politisch sein soll.

In den USA sind viele Künstler entweder für die Demokraten oder manchmal auch für die Republikaner. Aber in meinen Debatten mit diesen Künstlern hat das Politische nie eine Rolle gespielt. Es gibt dort nicht die Neigung der Intelligenz zu sagen: Links ist gut und rechts böse. In dem kleinen Dorf, aus dem ich komme, Deutschbaselitz, ging es bei der ersten Wahl um Krieg oder Frieden. Und das blieb so. Alles ist in Deutschland so vergangenheitsabhängig und daher falsch, es geht nie um die Sache, um Wahrheit oder Lüge.

Aber kann der Künstler hier nicht etwas beitragen zum politischen Diskurs?

Wir Künstler machen Stimmung für die Herzen, das ist wichtig für die Gesellschaft. Aber es ist nicht die Aufgabe der Künstler, mit Belehrungen und Appellen an die Moral zu mahnen. Wie sehr einem Künstler das Politische schadet, wurde mir wieder kürzlich am Beispiel Schostakowitschs bewusst, als ich mir seine 10. Symphonie angehört habe, die ist einfach saumäßig, der Druck, die Last des Stalinismus war zu groß. Und er hat so wunderbare Dinge komponiert, ich denke an „Der Bolzen“, Programmmusik aus der Stimmung der 1930er-Jahre. Und die Operette „Moskau“, die ich in Dresden gesehen habe. Meine schönste Oper wahrscheinlich.

Hören Sie Musik beim Malen?

Nein, niemals. Als Student hat man beim Arbeiten Musik gehört und dann traf man die schönen Sachen in den Bildern wieder. Daher nein!

Wir Österreicher trösten uns über den Verlust unserer territorialen Größe damit hinweg, dass wir kulturell nach wie vor eine Großmacht sind. Überschätzen wir uns da?

Trotz der Verkleinerung zum Schrumpf-Österreich sind eure Museen überragend. Ihr habt welthochbedeutende Sammlungen von Kunst und Musik. Ihr habt den Wiederaufbau so unspektakulär geschafft. Ihr habt schon lang wieder geglänzt, als Berlin noch schlecht gestellt war. Auch ein Großteil der Sachen, die ich gemacht habe, ist in euren Museen. Und dann das kleine Salzburg. Es ist doch unglaublich, was dort geleistet, empfangen, gewollt, ja, und auch bezahlt wird.

Baselitz' Adler

Des Malers Maskottchen. Seit fast viereinhalb Jahrzehnten ist der Adler in den Werken des Malers präsent.

Schröders Symbol. Gerhard Schröder ließ als Kanzler ein Baselitz-Bild mit stürzendem Adler hinter seinem Schreibtisch aufhängen.

Auf dem Kopf. Die Haltung kopfüber ist typisch für Baselitz – mit auf dem Kopf stehenden Bildern wurde er ab Mitte der 1970er weltberühmt.

Zur Person

Prägte die Malerei in Deutschland ab den Sechzigerjahren: Georg Baselitz, geb. 1938 als Hans-Georg Kern in Deutschbaselitz, Sachsen. EPA

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.03.2016)

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