Gemeindebaustudie: Treffsicherheit in Wien relativ gering

Gemeindebau Wien
Gemeindebau Wien(c) Fabry
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In Gemeindewohnungen sind Haushalte mit 50.000 Euro Jahresnettoeinkommen keine Seltenheit. In Wien lebt jeder vierte Haushalt in einem Gemeindebau. Die Wiener ÖVP fordert einen Gehaltscheck.

Mieter in Gemeindebauten sind tendenziell ärmer als Personen, die ihre Verträge am freien Markt abgeschlossen haben. Jedoch: Der Unterschied ist nur marginal - vor allem in Wien, wo jeder vierte Haushalt in einer Gemeindewohnung lebt. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor, bei der die Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) Innsbruck gemeinsam mit Viktor Steiner von der Freien Universität Berlin das Thema "soziale Treffsicherheit" in Gemeindewohnungen beleuchtet hat. Auch Personen mit höherem Einkommen profitieren vom kommunalen Angebot.

Denn die Wohnform wird, so lautet jedenfalls eine immer wieder geäußerte Kritik, oft auch von nicht bedürftigen Personen in Anspruch genommen. Untersucht wurde nun, wie treffsicher der Vorwurf ist.

Tatsächlich, so heißt es, ist nur ein relativ kleiner Anteil der in Gemeindewohnungen lebenden Haushalte einkommensarm. Das betrifft sowohl Wien als auch die anderen Bundesländer. Zwar ist die Armutsquote der Bewohner insgesamt höher, der Unterschied zur Gruppe, die über keine Gemeindebau-Bleibe verfügen, ist aber relativ gering.

In Wien leben relativ wenige Arme in Gemeindewohnungen

Hier sticht Wien durchaus hervor: 17,7 Prozent außerhalb des Gemeindebaus leben unter der Armutsquote (herangezogen wurde der Wert von 2013, konkret 13.200 Euro Jahresnettoeinkommen, Anm.), 23,8 Prozent beträgt der Anteil bei den Mietern der Stadt. Sprich: Die Situation ist in beiden Bereichen also durchaus ähnlich.

In den anderen Bundesländern ist die Kluft größer. Nur 13,2 Prozent der Personen ohne Gemeindewohnung sind arm, 22,7 Prozent Betroffene gibt es hingegen im Gemeindebau. Die insgesamt relativ hohe Wiener Gesamt-Armutsquote (19,2 Prozent, andere Bundesländer: 13,5 Prozent, Anm.) wird übrigens auch nicht wirklich abgebildet: "Bezogen auf die hohe Wiener Armutsquote ist der Anteil der in Gemeindewohnungen lebenden Armen in Wien relativ gering."

50.000 Euro netto keine Ausnahme

Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt über eine Gemeindewohnung verfügt, ist bei bescheidenem Gesamteinkommen zwar am höchsten. In Wien sind aber auch die besseren Einkommensschichten vertreten. Dort verfügen durchaus auch Personen mit einem Jahresnettoeinkommen von 50.000 Euro über eine Gemeindewohnung - von denen es aber auch sehr viele gibt. Immerhin jeder vierte Haushalt wohnt in Objekten der Kommune. In den übrigen Bundesländern beträgt dieser Anteil nur drei Prozent.

Die hohe Anzahl beschert den Wienern eine niedrigere mittlere Nettomiete (also Median-, nicht Durchschnittsmiete, Anm.) als den übrigen Ländern. Interessantes Detail: Bei der Bruttomiete, also dem Entgelt plus Betriebskosten, ist die Differenz deutlich geringer, "da die Betriebskosten in den Wiener Gemeindewohnungen relativ hoch sind", wie konstatiert wird.

Ein Viertel für die Miete

Kunden des sozialen Wohnbaus - wobei der Genossenschaftsbereich ausgeklammert wurde - müssen rund 23 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden. Damit fahren sie erwartungsgemäß relativ günstig. Die Mietbelastung liegt ca. vier Prozentpunkte (Wien) bzw. fünf Prozentpunkte (übrige Bundesländer) unter jener bei anderen Wohnformen.

Als Fazit wird die Gerechtigkeitsfrage eher verneint: "Werden Sozialwohnungen danach beurteilt, ob überwiegend ärmere Haushalte begünstigt werden, erfüllen diese weder in Wien noch im Durchschnitt der anderen Bundesländer das Kriterium der sozialen Treffsicherheit." Aber, so wird angemerkt, es gebe natürlich andere politische Begründungen für den sozialen Wohnbau - "fraglich ist jedoch, ob die nicht effizienter und verteilungspolitisch effektiver zu erreichen wären", heißt es.

ÖVP Wien: Einkommengrenzen prüfen

Die ÖVP sieht in der Studie einen neuerlichen Beleg für Handlungsbedarf. Das aktuelle Haushaltseinkommen müsse in periodischen Abständen überprüft werden und davon müsse auch abhängig gemacht werden, ob und unter welchen Voraussetzungen Leute weiter im Gemeindebau bleiben können, sagten ÖVP Wien Landesparteiobmann Stadtrat Gernot Blümel und Klubobmann Manfred Juraczka.

Liegt das Einkommen über der zulässigen Grenze, soll der Mieter drei Optionen haben: eine Anpassung der Miete an marktübliche Konditionen, die Möglichkeit, die Wohnung käuflich zu erwerben oder der Auszug aus der Wohnung, um diese wirklich sozial Bedürftigen zur Verfügung zu stellen.. Die Wiener Stadtregierung dürfe sich diesen Vorschlägen nicht weiter verschließen, es sei höchste Zeit zu handeln.

(APA)

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