Das Dilemma der Eroberung Palmyras

PALMYRA SYRIA MARCH 27 2016 A Syrian government army soldier near the Great Colonnade in Palmyra
PALMYRA SYRIA MARCH 27 2016 A Syrian government army soldier near the Great Colonnade in Palmyra(c) imago/ITAR-TASS (imago stock&people)
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Die Vertreibung der Terrormiliz Islamischer Staat aus der antiken Stätte stärkt die Verhandlungsposition des Damaszener Regimes bei den Friedensverhandlungen.

Die Eroberung Palmyras ist zweifelsohne eine schmerzhafte Niederlage des IS und damit unumstritten eine positive Entwicklung. Wer will nicht, dass die Jihadisten vertrieben und die Altertümer und dasWeltkulturerbe des ostsyrischen Orts gerettet werden? Wer freut sich nicht über diesen psychologischen Schub im Kampf gegen den IS?

Dass es ausgerechnet das Regime ist, das hier Territorium zurückerobert, ist der große Wermutstropfen. Denn es ist auch ein Sieg des Damaszener Regimes, das mithilfe der Regimetruppen, libanesischer Hisbollah-Kämpfer und russischer Luftunterstützung bewiesen hat, dass es militärisch effektiv gegen die Jihadisten des IS vorgehen kann. Die Offensive dauert an: Gestern sind die von Kampffliegern unterstützten Soldaten auf die Stadt Al-Karjatain vorgerückt, die der IS im August 2015 erobert hat.

Bashar Assad kann sich mit diesem Erfolg nun auch im Westen als wichtiger Partner im Antiterrorkampf vermarkten. Oder wie es der syrische Kultusminister fasst: Die ganze Welt schulde dem syrischen Präsidenten und Führer Dank, weil er die Altertümer schützen ließ.

Genau an diesem Punkt aber wird es kontrovers. Fraglich ist, ob das syrische Regime hier ein Problem löst oder das eigentliche Problem darstellt. Die syrische Opposition steht den Eroberungszügen des Regimes jedenfalls skeptisch gegenüber. „Palmyra, das vom Assad-Regime erobert wird, ist wie ein Warschau, das von den Sowjets ,befreit‘ wird. Einerseits freut man sich, dass die Nazis geschlagen wurden, andererseits übernimmt stattdessen Stalin“, fasst der Tweet eines Oppositionellen das Dilemma zusammen.

Brutales Foltergefängnis

Palmyra selbst stellt dabei ein Symbol dar. Denn für die syrische Opposition stand der Ort nicht nur für seine einzigartigen antiken Baudenkmäler, sondern auch als Sinnbild für das brutalste und berüchtigtste Gefängnis, das das Regime dort einst unterhielt und in dem Oppositionelle „hinter der Sonne“ verschwanden. Palmyra war lang der Gulag der syrischen Diktatur.

Die Opposition steckt mit der Eroberung von IS-Territorium durch das Regime in der Klemme. Einerseits kann sie diesen Schlag gegen den IS nicht per se gutheißen, denn es ist das so verhasste Regime, das hier auch Boden für sich gutgemacht hat. Andererseits können sich die Rebellen nicht selbst als effektiver Partner im Kampf gegen den IS und damit als Alternative im Antiterrorkampf präsentieren. Zu sehr sind sie in den letzten Monaten geschwächt worden, durch dieselben russischen Kampfjets, die nach der vereinbarten Waffenpause mit den Rebellen nun endlich massiv gegen IS-Stellungen Angriffe fliegen – dies, nachdem Russland seinen Rückzug aus Syrien verkündet hat.

Das Regime und seine Partner nutzen die vereinbarte Feuerpause mit den Rebellen, um diesmal Territorium, nicht von den Rebellen, sondern von dem IS zurückzuerobern. Das verbessert sicherlich das internationale Standing Assads als Bollwerk gegen den Terror und damit auch seine Position bei zukünftigen Friedensverhandlungen in Genf. Die Botschaft ist klar: Ohne uns geht in Syrien gegen den IS nichts, und deshalb kann es nur eine politische Zukunft mit dem Regime geben. Insofern haben sich die Gewichte in den letzten Tagen nicht nur militärisch gegen den IS, sondern auch politisch gegen die syrische Opposition verschoben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2016)

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