Die USA erschweren ihren Bürgern den Weg in Steueroasen immer mehr – während einige Bundesstaaten sich neuerdings als Zufluchtsort für internationales Geld anbieten.
Wien. Angola, Ruanda, Island, Ukraine, China und Pakistan: Bekannte Politiker, Geschäftsleute und Prominente aus der ganzen Welt tauchen in den Panama-Papers auf, dem „größten Datenleak der Geschichte“. Aber eine Frage hält sich hartnäckig: Wenn die Dokumente so umfangreich sind, warum ist bisher kein einziger Name aus den Vereinigten Staaten aufgetaucht?
Kann es wirklich sein, dass niemand aus der größten Volkswirtschaft der Welt in den Skandal rund um die Anwaltskanzlei Mossack Fonseca aus Panama verwickelt ist? In den sozialen Medien sprießen schon die Theorien: Stecken gar die Amerikaner selbst hinter den Enthüllungen?
Die Wahrheit ist – wie meistens – viel banaler. Zwar haben die Medien, denen das gesamte Material vorliegt, bisher tatsächlich noch keine Namen von Personen und Firmen aus den USA genannt. Es hat aber durchaus Hinweise gegeben, beispielsweise von Mitarbeitern der „Süddeutschen Zeitung“ auf Twitter, dass da noch einiges zu erwarten ist. Aus den bisher veröffentlichten (anonymisierten) Daten des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) geht zudem hervor, dass das Netz von Mossack Fonseca sich sehr wohl bis in die USA spannt. So sind 211 Namen in den Dokumenten zu finden, denen eine US-Adresse zuzuordnen ist. Ob es sich dabei um Amerikaner handelt, ist zwar unklar, die Zahl bezieht sich aber nur auf eine relativ aktuelle Datenbank der Anwaltskanzlei und nicht auf alle 11,5 Milliarden dem ICIJ vorliegenden Dokumente, die bis 1977 zurückreichen.
Rothschild kommt nach Reno
Im Zuge der Aufarbeitung dieser Daten könnte es also noch zu vielen Enthüllungen kommen. Immerhin: Schätzungen des US-Senats zufolge fließen jährlich rund 150 Mrd. Dollar am Fiskus vorbei und verschwinden in Briefkastenfirmen.
Zudem gibt es aber eine Reihe von Gründen, warum US-Amerikaner in Panama eher keine Briefkastenfirmen gründen würden. Der einfachste: „Amerikaner können Briefkastenfirmen in Wyoming, Delaware oder Nevada gründen. Sie brauchen nicht nach Panama, um eine Briefkastenfirma für fragwürdige Gelder zu schaffen“, erklärt die Jusprofessorin Shima Baradaran Baughman dem Portal Fusion.net, das die Panama-Papers für US-Leser aufbereitet.
Tatsächlich haben sich die USA selbst in den vergangenen Jahren zur „größten Steueroase der Welt“ entwickelt, sagt Andrew Penney. Sein Arbeitgeber ist niemand geringerer als Rothschild & Co. Die jahrhundertealte Finanzinstitution hat erst kürzlich eine Niederlassung in Reno (Nevada) gegründet, um Kunden zu versorgen, denen es in der Karibik zu heiß wird. Das Wirtschaftsmagazin „Bloomberg Businessweek“ nennt die Vereinigten Staaten sogar „die neue Schweiz“. Denn während klassische Steueroasen durch immer mehr internationale Abkommen ausgetrocknet werden, werben ausgerechnet einige US-Bundesstaaten mit ihrer besonders strengen Auslegung des Bankgeheimnisses.
Dadurch fließt seit einiger Zeit zunehmend Geld aus klassischen Offshore-Finanzzentren wie den Cayman Islands und Bermuda in die USA. Aber auch die Schweiz ist betroffen, seitdem im Jahr 2007 aufgeflogen ist, dass mehr als 80 Schweizer Banken ihren US-amerikanischen Kunden bei der Hinterziehung von vielen Milliarden Dollar geholfen haben.
Geld aus der Schweiz in die USA
Die Schweizer Institute (darunter UBS und Credit Suisse) mussten rund fünf Mrd. Dollar Strafe zahlen. Im Jahr 2010 hat die US-Regierung dann ein Gesetz erlassen, das Banken weltweit verpflichtet, Konten von US-Bürgern zu melden. Gleichzeitig haben die USA sich bisher (so wie auch Panama) geweigert, sich internationalen Standards zum Austausch von Informationen zur Steuerbekämpfung zu unterwerfen – etwa den Standards der OECD, die sogar China einhalten will.
Das Ergebnis ist für Amerika doppelt positiv: Sie erhalten die Daten der eigenen Bürger aus der ganzen Welt, was Steuerhinterziehung für reiche Amerikaner erschwert. Gleichzeitig fließt viel Geld reicher Ausländer in die Steueroase USA, weil die Schweiz oder die Karibik zu unsicher erscheinen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2016)