Medizin-Uni warnt vor "Doktor light"

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Die Latte für medizinische Privat-Unis sei "international nicht salonfähig". Es bestehe die Gefahr, dass das Medizinstudium "auf Berufsschulniveau degradiert" werde, sagt Rektor Müller.

Wien. Es sind ziemlich heftige Worte, die Med-Uni-Wien-Rektor Markus Müller da in den Mund nimmt. Die jüngsten Pläne für weitere private Medizinuniversitäten in Österreich schüren bei ihm die Sorge vor einem „Dr. med. light“, einer Entakademisierung und „einer Zweiklassenausbildung“ von Ärzten.

Warum die Wiener Mediziner alarmiert sind: Wie „Die Presse“ berichtet hat, nimmt das Vorhaben, in Tirol ein zweites, privates Medizinstudium einzurichten, konkretere Formen an. Die Medical School, an der die Landespolitik gemeinsam mit der Medizin-Uni Innsbruck und der Privat-Uni Umit bastelt, soll vor allem die Versorgung Tirols mit Ärzten sicherstellen. Zudem plant eine private Investorengruppe eine Medizin-Universität im niederösterreichischen Baden.

„Mit diesen beiden Einrichtungen hätten wir zehn Anbieter von Medizinstudien in Österreich“, sagte der Med-Uni-Rektor am Montagabend vor Journalisten (siehe Grafik). „Das wäre ein weiterer Sonderweg.“ Da werde versucht, ein Strukturproblem im Gesundheitswesen – den Mangel an niedergelassenen Ärzten, der aber kein genereller Ärztemangel sei, denn an sich produziere Österreich genügend Mediziner – auszunutzen, „um letztlich Geschäfte zu machen.“

Müller fürchtet um die Qualität der Medizinerausbildung. Die Latte für die Akkreditierung einer medizinischen Privatuniversität in Österreich sei „so niedrig, dass es international nicht salonfähig ist“. Das könne zu „einer Zweiklassenausbildung“ führen: einerseits Ärzte, die an Forschungsuniversitäten ausgebildet seien, und andererseits ein „Dr. med. light“ mit einem lokalen Fokus und einer Ausbildung, die primär auf Handwerk abziele. Es bestehe die Gefahr, dass die Medizin „entakademisiert und auf Berufsschulniveau degradiert wird“. Eine solche Entwicklung bringe den Ruf der Medizin in Österreich generell in Gefahr: „Das färbt natürlich auch auf uns ab.“

Lehrende werden abgeworben

Sowohl Rektor Müller als auch Erhard Busek, Uni-Ratsvorsitzender der Wiener Medizin-Uni, drängen nun darauf, dass die AQ Austria, die alle neuen privaten Studiengänge akkreditiert, strenger vorgeht. „Wir haben uns schon über die Akkreditierung mancher Privat-Unis gewundert“, sagt Müller. Sogar die Akkreditierungsagentur selbst spreche von „unterschiedlich elaborierten“ Forschungstätigkeiten.

Gleichzeitig konkurrieren die neuen Med-Unis teilweise um dieselben Ressourcen: Sie versuchen, den bestehenden Unis Personal abzuwerben, weshalb es künftig eine vertragliche Konkurrenzklausel geben werde. Und auch, dass Bundesländer wie Tirol Geld in private Unis stecken würden, sei problematisch. Laut Gesetz ist es dem Bund verboten, Privat-Unis zu finanzieren. Aber, so Busek: „Im Wesentlichen leben die Länder vom Steuergeld, das der Bund einhebt.“

Die Med-Uni Wien bringt auch Befürchtungen wieder aufs Tapet, die es bereits vor der Gründung der Linzer Medizinfakultät gegeben hat: dass die Schaffung zusätzlicher Studienplätze in Medizin nämlich die Verlängerung der Quote gefährde, die drei Viertel der Anfängerplätze für österreichische Bewerber reserviert und über die die EU-Kommission bis Jahresende entscheiden muss.

„Das ist keine koordinierte Politik. Das ist Provinzialismus“, kritisiert Busek. Viel notwendiger wäre, dass man sich in puncto Medizin auf europäischer Ebene abstimme. „In Wirklichkeit dient das alles der persönlichen Profilierung. Da will irgendjemand berühmt werden“, sagte er in Richtung des Tiroler Gesundheitslandesrats Bernhard Tilg (ÖVP), eine der treibenden Kräfte hinter den dortigen Plänen.

Eigene Beteiligung in Krems

Dass die Med-Uni Wien selbst an einer privaten Medizinuniversität beteiligt ist – der Karl-Landsteiner-Uni in Krems – ist ein wunder Punkt in der Argumentation. Eine Begründung: Man teste dort sozusagen das Bachelor-Master-Studium für Medizin. Uni-Ratschef Busek gibt aber zu: „Das war ein Grenzfall.“ Ein Argument dafür sei gewesen, dass Niederösterreich überlegt habe, eine eigene Med-Uni einzurichten. „Das wollten wir einfangen.“

AUF EINEN BLICK

Medizin. Derzeit gibt es in Österreich drei öffentliche Medizin-Unis, in Wien, Graz und Innsbruck, und seit Herbst 2014 eine Fakultät in Linz. Außerdem gibt es drei private Universitäten in Krems und Salzburg und ab Herbst ein privates Medizinstudium in Wien (siehe Grafik). Tirol plant nun eine private Med-Uni in Innsbruck, in Baden hat eine private Investorengruppe vor, eine Med-Uni zu gründen. Neu geschaffene Medizinstudien müssen nach dem Bachelor-Master-System funktionieren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2016)

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