Bei der Präsidentenwahl setzte sich die Tochter des inhaftierten Ex-Präsidenten im ersten Durchgang souverän durch. In der Stichwahl im Juni muss sie allerdings die massiven Zweifel ihrer Gegner überwinden.
Wien/Lima. Ein Tänzchen legten beide Kandidaten hin, die die Qualifikation für die Stichwahl im Juni geschafft hatten. Bei der souveränen Wahlsiegerin im ersten Durchgang der Präsidentenwahl in Peru fiel der Jubel indes ein wenig verhalten aus. Keiko Fujimori erzielte zwar beinahe 40 Prozent der Stimmen, doch Umfragen prophezeiten der 40-jährigen Tochter des Ex-Präsidenten Alberto Fujimori noch in der Wahlnacht eine Niederlage gegen Pedro Pablo Kuczynski, ihren 77-jährigen Kontrahenten, einen Ex-Premier, Ex-Minister und Weltbank-Ökonomen. Sang- und klanglos gingen derweil die Ex-Präsidenten Alan García und Alejandro Toledo unter.
„Keiko“ – die Peruaner nennen die Politikerin zumeist bei ihrem Vornamen – hegt schlechte Erinnerungen an die Präsidenten-Stichwahl vor fünf Jahren. Damals unterlag sie knapp gegen Ollanta Humala, den linken Offizier und Chávez-Fan. Im Wahlkampf bemühte sich Keiko jetzt zwar, sich von ihrem Vater, Alberto, zu distanzieren, der in Peru zu einer 25-jährigen Haftstrafe verurteilt worden ist. Sie entledigte sich auch einiger seiner Gefolgsleute und gestand ein, ihr Vater habe einige schwere Fehler begangen. Befürchtungen, sie könnte ihren Vater als Präsidentin begnadigen, konnte sie aber nicht völlig aus der Welt schaffen. Nach dem „Rosenkrieg“ mit Keikos Mutter, die als eine der Ersten über grassierende Korruption und Menschenrechtsverletzungen geklagt hatte, hatte Fujimori seine Tochter 1994 offiziell zur First Lady ernannt.
Die Fujimori-Ära der 1990er-Jahre polarisiert Peru bis heute. Auf der Habenseite stehen der erfolgreiche Kampf gegen die linken Guerillagruppen Leuchtender Pfad und Túpac Amaru sowie der Aufschwung aufgrund des Mineralienbooms, der dem Andenstaat eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte brachte. Dies führte schließlich zur signifikanten Reduktion der Armut.
Unvergessen sind allerdings auch die autokratischen Machenschaften des japanischstämmigen Präsidenten, das zügellose Vorgehen der Geheimdienste, die Zwangssterilisierung Hunderttausender Indio-Frauen. In einem Protestmarsch gedachten in der Vorwoche 30.000 Menschen des Jahrestags der Ausschaltung des Kongresses durch Alberto Fujimori vor 24 Jahren – und brachten so ihr Missfallen gegen eine Wahl seiner Tochter zum Ausdruck. Mehr als die Hälfte der Peruaner bezeugen in Umfragen ihr Unbehagen gegenüber Keiko Fujimori, was dem Ökonomen Kuczynski, dessen deutsch-polnische Eltern vor den Nazis nach Südamerika geflüchtet sind, Auftrieb für die Stichwahl gibt.
Unter Anspielung auf den Coup ihres Vaters schwor Keiko Fujimori: „Keinen 5. April mehr.“ Sie sah sich auch veranlasst, einen Eid zu unterzeichnen, Menschenrechte und Meinungsfreiheit zu achten – eine höchst ungewöhnliche Geste in einer Demokratie. Die väterliche Bürde lastet schwer auf ihr. In zwei Monaten entscheiden die Peruaner, ob sie ihr zutrauen, sich von dieser Last zu befreien.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.04.2016)