Nordkorea: Propagandaschlacht vor Parteitag

A Central Committee meeting is held to mark the 104th birth anniversary of North Korea´s founder Kim Il Sung
A Central Committee meeting is held to mark the 104th birth anniversary of North Korea´s founder Kim Il Sung(c) REUTERS (KCNA)
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Trotz des jüngst fehlgeschlagenen Raketenstarts inszeniert sich das stalinistische Regime als unbesiegbar. Vor dem Parteikongress dürften militärische Drohgebärden zunehmen.

Tokio. Was für ein peinlicher Patzer: Das Regime in Pjöngjang wollte den Geburtstag des Partei- und Staatsgründers, Kim Il-sung, mit einem Raketentest zelebrieren. Der Abschuss ging offenbar nach hinten los. Noch vor wenigen Tagen hatte dessen Enkel Kim Jong-un verkündet, man sei nun in der Lage, „jede Jauchegrube des Bösen in der Welt zu treffen“. Doch dieses Mal ging das schief. Alarmiert und amüsiert gleichermaßen vermeldet der Generalstab der Armee Südkoreas am Freitag den Rohrkrepierer. Es könnte sich um eine der beiden Mittelstreckengeschosse vom Eigenbau Musudan mit einer theoretischen Reichweite von bis zu 4000 Kilometern handeln, die wenige Tage zuvor nahe des nordostkoreanischen Hafens Wusan in Stellung gebracht wurden. Auch ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums bestätigte den Fehlstart.

Nicht nur technisch und militärisch ist das eine peinliche Panne. Der politische Schaden für den Diktator wiegt vermutlich noch schwerer. Am selben Tag feierte die Diktatur den 104. Geburtstag des 1994 verstorbenen kommunistischen Partei- und Staatsgründers, Kim Il-sung, der 1945 als Günstling der damaligen Sowjetunion die Macht im Norden an sich gerissen hat und bis heute „ewiger Präsident“ seiner Volksrepublik ist. Seine Nachfolger waren und sind Sohn Kim Jong-il und aktuell Enkel Kim Jong-un.

Vor allem für den gut 30 Jahre alten Jungführer ist das eine persönliche Schlappe. Es ist unter seiner Herrschaft Sitte, Jahrestage dieser Art als Demonstration eigener Macht zu nutzen. Diese Schau fiel diesmal zwar ins Wasser, aber es ist damit zu rechnen, dass Kim Jong-un – trotz aller internationaler Proteste und UN-Sanktionen – seinen Militärs weitere derartige Provokationen befiehlt. Erst vor einer Woche wurde „unter Anleitung“ des Machthabers ein angeblich neuartiger Antrieb für Interkontinentalraketen getestet. Nach Berichten der Staatsmedien lauschte der Diktator selbst begeistert dem „gottgleichen Dröhnen“ des Aggregats. Dem Geräusch entnahm Kim: „Dieser große Erfolg gibt uns die feste Garantie, eine andere Art von Atomangriff auf die US-Imperialisten und andere feindliche Kräfte starten zu können.“

„70-Tage-Schlacht“ beginnt

Die Welt muss sich wohl in nächster Zeit auch aus anderen Gründen auf den Start einer Langestreckenrakete und damit eine weitere Provokation einstellen: Im Frühjahr steht der 7. Parteitag der Kommunistischen Arbeiterpartei Nordkoreas ins Haus – das erste derartige Monumentaltreffen seit 1980. Bei dieser Zusammenkunft will Führer Kim – vermuten Experten in Südkorea – offenbar seiner Herrschaft einen programmatischen Stempel aufdrücken. Unter seinem Diktat tobt bis zur Eröffnung der Mega-Huldigung eine „70-Tage-Schlacht“.

Für die internationale Gemeinschaft bedeutet diese Kampagne im relativ harmlosen Fall, dass die gut 20 Millionen Nordkoreaner zu „Ehren der Partei“ unbezahlte Sonderarbeit leisten müssen. Nicht nur produktive, was angesichts der desolaten Wirtschaftslage Sinn ergeben würde, sondern auch „gründliches Putzen und Polieren auf Hochglanz“ aller Statuen der bisher dreiköpfigen Kim-Dynastie. Kim junior folgt damit offenbar strikt dem bewährten stalinistischen Prinzip, dass ein Volk bis zum Umfallen beschäftigt werden muss, damit es keine Zeit zum Nachdenken hat.

Die Signale aus Pjöngjang deuten auch darauf hin, dass Kim und Genossen allmählich nervös werden. Hauptverbündeter China verweigert erkennbar immer mehr seine Rückendeckung, beteiligt sich aus global-strategischen Überlegungen an den internationalen Sanktionen und stoppte Anfang März erstmals Rohstoffexporte an seiner Grenze zu Nordkorea. Außerdem wird berichtet, dass in Südkoreas Hauptstadt Seoul an geheimen Konzepten für eine Wiedervereinigung Koreas nach deutschem Muster gearbeitet wird. Kim Jong-un kann sich leicht ausrechnen, dass er in diesen Plänen keine Rolle spielt. In seiner Logik gibt es darauf nur eine Antwort: verbales Säbelrasseln und offene militärische Drohgebärden, die amtlich auf die „Befreiung des südkoreanischen Brudervolkes“ abzielen. Entscheidend ist dafür aus Sicht von Pjöngjang die nukleare Aufrüstung bis hin zu mit Atomsprengköpfen bestückten Langstreckenraketen, die selbst weit entfernte Ziele in den USA treffen könnten. Bisher bleiben die Amerikaner gelassen.

Die Regierenden in Washington, Seoul und Tokio wissen natürlich genau, dass es Nordkorea kaum auf einen Erstschlag ankommen lassen kann. In diesem Politpoker ist gar nicht entscheidend, was die neuen Raketen in Wirklichkeit können und welche Waffen im Fall der Fälle einsatzbereit wären. Das Regime will nur als Atommacht anerkannt werden, was bisher niemand akzeptiert. Also muss Kim Jong-un zwangsläufig die Spirale weiter drehen – in dem Wissen, dass die USA ihren engen Verbündeten Südkorea jederzeit von einer Dummheit abhalten können. Aber wer kann Nordkorea beeinflussen?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.04.2016)

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