Rückrufe auch bei Mercedes und Opel

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Neben VW müssen auch 630.000 Fahrzeuge anderer Hersteller aufgrund überhöhter Abgaswerte in die Werkstatt. Es wurde zwar nicht manipuliert, die Gesetze wurden aber weit ausgelegt.

Wien. Was schon seit Längerem vermutet worden war, wurde am Freitag Gewissheit. Auch bei anderen Autoherstellern sind die Überschreitungen der vorgeschriebenen Abgaswerte so hoch, dass es technischer Veränderungen bedarf. So gab der deutsche Verkehrsminister, Alexander Dobrindt, am Freitagnachmittag bekannt, dass Mercedes und Opel sowie die zum VW-Konzern gehörenden Marken Audi, Porsche und VW selbst 630.000 Fahrzeuge zurückrufen werden. Ähnliche Zusagen gebe es zudem vom französischen Hersteller Renault. Die Rückrufe kommen zusätzlich zu jenen 2,4 Millionen Autos, die der VW-Konzern bereits aufgrund einer Anordnung des deutschen Kraftfahrtbundesamtes (KBA) in die Werkstätten beordern muss.

Grund für die nun erfolgten „freiwilligen“ Rückrufe der anderen Autohersteller sind die Untersuchungen des KBA infolge des Abgasskandals bei VW. Das Amt ging Berichten von Umweltschutzorganisationen und unabhängigen Prüfstellen nach, die schon seit Jahren monieren, dass die im Realbetrieb gemessenen Emissionen bei Modellen verschiedenster Hersteller oft deutlich über den für die Zulassung quasi im Labor ermittelten Werten liegen.

Abschalten ab 17 Grad Celsius

Anders als bei VW soll bei den nun beanstandeten Fahrzeugen jedoch keine aktive Manipulation der Abgaswerte stattgefunden haben. Wie mehrfach berichtet war bei den VW-Modellen ja eine Software installiert, die erkannte, ob ein Abgastest durchgeführt wurde. Nur in diesem Fall wurde die Abgasreinigung eingeschaltet, die Leistung kostet und den Verbrauch erhöht. Im Normalbetrieb war sie mitunter vollständig ausgeschaltet.

Bei den nun zusätzlich zurückgerufenen 630.000 Fahrzeugen sorgt hingegen die sehr weite Auslegung einer gesetzlich erlaubten Maßnahme für Kritik der Behörde. So ist es Autokonzernen erlaubt, eine Abschaltvorrichtung für die Abgasreinigung einzubauen, die bei sehr niedrigen Temperaturen tätig wird. So sollen Schäden am Motor und an anderen Teilen verhindert werden, die bei enormer Kälte möglich wären. Allerdings haben die Tests des KBA ergeben, dass die Abschalteinrichtung bei manchen Modellen bereits bei Außentemperaturen von 17 Grad Celsius begonnen haben, die Abgasreinigung zurückzufahren. Es gebe daher Zweifel der Untersuchungskommission, ob diese Vorrichtung zum Schutz von Bauteilen tatsächlich notwendig sei, erklärte Dobrindt diplomatisch.

Argumentativ folgt der deutsche Verkehrsminister damit Umweltschutzorganisationen wie der deutschen Umwelthilfe, die den Bauteilschutz als vorgeschobenes Argument für Abschaltvorrichtungen ansieht. Auch der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages stellte jüngst in einem von den Grünen in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten fest: „Die auf den Schutz des Motors abzielende Privilegierung [...] dürfte deshalb grundsätzlich keine taugliche Rechtsgrundlage dafür sein, eine Abschalteinrichtung regelmäßig [...] legal greifen zu lassen.“ Auf jeden Fall will das deutsche Verkehrsministerium nun eine Klärung auf EU-rechtlicher Ebene anstoßen, unter welchen konkreten Voraussetzungen Abschaltvorrichtungen erlaubt sein sollen. Dies sei bisher zu ungenau geregelt, heißt es in Berlin.

Auch Österreich ist betroffen

Die nun bekannt gewordene Zahl an Fahrzeugen, die zurückgerufen werden, bezieht sich vorerst nur auf in Deutschland zugelassene Autos. Es dürfte aber klar sein, dass auch andere Länder wie Österreich von der Rückrufaktion betroffen sein werden. Im heimischen Verkehrsministerium kann man auf Anfrage der „Presse“ noch keine genauen Zahlen nennen. Die dafür notwendigen Daten hinsichtlich der betroffenen Modelle würden aus Deutschland erst in den kommenden Tagen geliefert werden. Auch bei Mercedes-Benz Österreich, Opel Österreich sowie der für VW zuständigen Porsche Holding konnten am Freitag noch keine genaueren Angaben gemacht werden.

Beim bereits im Jänner gestarteten Rückruf bezüglich der Abgasmanipulationen bei VW war Österreich – relativ zur Einwohnerzahl gesehen – sogar stärker betroffen als Deutschland. Während beim nördlichen Nachbarland 2,4 Millionen Autos in die Werkstätten zurückbeordert werden, wurde hierzulande bei 388.000 Fahrzeugen die Software zur Abgasmanipulation installiert. (jaz/ag.)

AUF EINEN BLICK

Das deutsche Kraftfahrtbundesamt hat in der Folge des Abgasskandals bei VW auch die Emissionen von Fahrzeugen anderer Hersteller untersucht und dabei Überschreitungen festgestellt. Anders als bei VW soll es sich zwar nicht um unerlaubte Manipulationen handeln, sondern um eine sehr weite Auslegung eines ungenau definierten Passus in den Gesetzen. Bis auf BMW sind nun alle deutschen Hersteller von einem neuen Rückruf betroffen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.04.2016)

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