Telekom-Prozess: "Hätten die Grazer ÖVP nicht gesponsert"

Der ehemalige Telekom-Finanzvorstand Gernot Schieszler
Der ehemalige Telekom-Finanzvorstand Gernot Schieszler APA/HELMUT FOHRINGER
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"Kronzeuge" Schieszler geht davon aus, dass die Parteispende für die Bundes-ÖVP für den Nationalratswahlkampf im Herbst 2008 gedacht war. Der Prozess wurde auf Juni vertagt.

Im Prozess um eine angebliche Parteispende der Telekom Austria, die der ÖVP zugeflossen sein soll und die laut Anklage zur Finanzierung des Grazer Gemeinderatswahlkampfs im Jänner 2008 verwendet wurde, ist der ehemalige Telekom-Finanzvorstand Gernot Schieszler als Zeuge befragt worden. Er ging am Donnerstag davon aus, dass der Nettobetrag von 100.000 Euro der Bundes-ÖVP zugedacht war. Nach seiner Einvernahme wurde der Prozess auf den 7. Juni vertagt, da die Staatsanwalt den ehemaligen ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon noch als Zeuge befragt will.

"Wir hätten die Grazer ÖVP nicht gesponsert. Denn dann wäre die ÖVP Gramatneusiedl auch daher gekommen. Auch wenn's ein anderes Bundesland ist", sagte Schieszler im Wiener Straflandesgericht. "Das System" sei schon gewesen, "das ganz oben anzusiedeln. Auf Bundesebene. Das macht keinen Sinn, das einer Regionalorganisation zu übergeben." Gesetze und Verordnungen würden schließlich vom Bund gemacht. Ob die Bundes-ÖVP das Geld Richtung Graz weiter leitete, könne er nicht sagen: "Das war für mich irrelevant."

Schieszler genießt in Sachen Telekom den "Kronzeugen"-Status. Ehe konkret gegen ihn strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet wurden, wandte er sich an die Justiz und gab dubiose Zahlungsvorgänge der Telekom preis - so auch die prozessgegenständlichen 120.000 Euro, die laut Anklage von der Telekom-Tochter eTel an eine Grazer Werbeagentur auf Basis einer Scheinrechnung für die vorgebliche Markenintegration der e-Tel, die zunächst als eigenständige Marke erhalten werden sollte, in die Telekom überwiesen wurden.

Geld könnte für Nationalratswahlkampf gedacht gewesen sein

Schieszler gab sich überzeugt, dass die Parteispende für die Bundes-ÖVP für den Nationalratswahlkampf im Herbst 2008 gedacht war. Auf die Frage, ob das Geld nicht doch - wie angeklagt - zur Stärkung der ÖVP bei den Grazer Kommunalwahlen Anfang 2008 hätte dienen können, zumal der (von der Anklage umfasste) Grazer ÖVP-Geschäftsführer Bernd Schönegger bei den folgenden bundesweiten Wahlen in den Nationalrat einzog, meinte Schieszler: "Ein einfacher Abgeordneter? Bei allem Respekt, das zahlt sich nicht aus."

Grundsätzlich bemerkte Schieszler, die Telekom sei damals als teilstaatliches Unternehmen ständig finanzieller Begehrlichkeiten seitens politischer Parteien, ihrer Vorfeldorganisationen und Funktionäre und Lobbyisten ausgesetzt gewesen: "Irgendwann hinterfragen Sie das nicht mehr. Das ist Teil des Systems." Seine "moralische Betroffenheit" sei "schon in Ratlosigkeit abgeglitten", erinnerte sich Schieszler. Er habe sich "über Inhalt und moralische Aspekte keine Gedanken mehr gemacht".

Schieszler betonte, er habe im gegenständlichen Fall nicht mit dem angeklagten Ex-Telekom-Vorstand Rudolf Fischer gesprochen, sondern sei direkt vom damaligen Head of Public Affairs auf die 100.000 Euro angesprochen worden, der zuvor als Organisationsreferent der ÖVP zur Telekom gewechselt hatte. Er habe den Rechnungstext "angesagt" und die beiden (ebenfalls von der Anklage umfassten) eTel-Geschäftsführer angewiesen, das Geld "freizugeben". Den beiden sei klar gewesen, dass die Überweisung "vorzunehmen und nicht zu hinterfragen ist".

"Dann hätten wir inserieren können"

Die Aussage der Grazer Werberin, die behauptet hatte, sie sei von Schieszler kontaktiert worden und habe von ihm Anweisungen in Bezug auf ihre "Scheinrechnung" an die eTel erhalten, wies der 46-Jährige zurück: "Ich hab' was anderes zu tun, als jemand in einem anderen Bundesland anzurufen und zu sagen, es sind 100.000 Euro abzuholen."

Auf die Frage von Richter Stefan Erdei, weshalb das Sponsoring an die ÖVP mit einem "Scheingeschäft" verdeckt wurde, erläuterte der Zeuge: "Ich gehe davon aus, diejenigen, denen die Parteispende zugegangen ist, wollten das nicht öffentlich machen." Aber auch die Telekom habe das Sponsoring einer politischen Partei wohl nicht publik machen wollen: "Wenn wir das damals offiziell gemacht hätten, hätten wir inserieren können 'Da habt's zehn Millionen, schnapst's es euch aus'."

(APA)

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