Kommission will keine Notbremse bei Visafreiheit

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Die Brüsseler Behörde legt am morgigen Mittwoch einen Bericht zum Abkommen vor. Dem Vernehmen nach wird die Kommission die Visafreiheit empfehlen – obwohl Ankara nicht alle Kriterien erfüllt.

Wien/Brüssel. 62 von 72 Bedingungen könnten ausreichen. Wie das Onlineportal politico.eu berichtet, wird die Kommission in ihrem morgigen Bericht zum EU/Türkei-Deal die Visafreiheit für türkische Staatsbürger empfehlen – obwohl Ankara noch nicht alle vereinbarten Kriterien erfüllt. Ein weiterer Zwischenbericht soll demnach im Juni folgen, wenn – so hofft man in Brüssel – die Türkei ihre Hausaufgaben gemacht hat.

In der Brüsseler Behörde selbst will man das Vorhaben nicht kommentieren; auch über den aktuellen Stand der türkischen Vorbereitungen machte eine Sprecherin am Montag keine Angaben. Das Kommissarskollegium werde am Mittwoch entscheiden, ob eine Visabefreiung vorgeschlagen werde oder nicht. Fest steht aber schon jetzt: Weitere „Notbremsen“ für die geplante Reisefreiheit für Türken, wie sie einige Mitgliedstaaten gefordert haben, soll es nicht geben. Die Sprecherin sagte am Montag in Brüssel, es gebe in der bestehenden Visaverordnung bereits eine Klausel, die eine Aussetzung der Visabefreiung unter bestimmten Kriterien zulasse.

Wien forderte Ausstiegsklausel

Deutschland und Frankreich hatten vergangene Woche eine zusätzliche Ausstiegsmöglichkeit bei der geplanten Visabefreiung für die Türkei verlangt. Auch Österreich forderte eine solche Klausel. Zwar kann ein EU-Land unter Berufung auf eine Notsituation die Visa-Vergabe bereits jetzt beschränken. Nach einem deutsch-französischen Vorschlag sollte der Mechanismus aber stärker auf bestimmte Kriterien abzielen, also etwa die Zahl widerrechtlich im Land befindlicher Drittstaatsangehöriger, den Anstieg von Asylanträgen mit geringer Anerkennungsquote oder Probleme bei Rückführungen mit Drittstaaten.

Für die Türkei ist die Visabefreiung ab Juni eine conditio sine qua non in der Mitte März in Brüssel getroffenen Flüchtlingsvereinbarung. Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, hat zuletzt angekündigt, sein Land könne Flüchtlinge wieder ungehindert durchreisen lassen, falls die EU die Visumspflicht für Türken nicht aufhebe.

Deal zeigt Wirkung

Der Deal zwischen Brüssel und Ankara zeigt indes zunehmend Wirkung: Auch am vergangenen Wochenende blieb der Flüchtlingszustrom aus der Türkei nach Griechenland schwach. Von Samstagfrüh bis Montagfrüh seien insgesamt 112 Flüchtlinge aus der Türkei eingetroffen, teilte der Stab für die Flüchtlingskrise am Montag in Athen mit. Zum Vergleich: Noch im Februar kamen täglich rund 2000 Menschen an. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.05.2016)

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