Die EU soll künftig die Visa-Freiheit für Länder zurückziehen können, wenn diese bestimmte Kriterien nicht erfüllen. Es hagelt Kritik an der Türkei.
Die EU-Innenminister haben sich bei ihrem Treffen am Freitag in Brüssel dafür ausgesprochen, im Notfall die Visafreiheit für ein bestimmtes Land schneller auszusetzen. Der Beschluss geht auf eine Initiative Deutschlands und Frankreich zurück, auch Österreich hatte Möglichkeiten zur Rücknahme der Visafreiheit gefordert. Das EU-Parlament muss noch zustimmen. Die EU-Staaten reagieren damit auf den Flüchtlingsdeal mit der Türkei: Ankara soll Flüchtlinge aus Griechenland zurücknehmen und erhält dafür von der EU bestimmte Zugeständnisse.
Die "Notbremse" sei notwendig, um die ungehinderte Einreise in die EU wieder rückgängig zu machen, wenn die Visa-Freiheit missbraucht werde, erklärte die niederländische EU-Ratspräsidentschaft am Freitag. Mit der Regelung kann der Visum-Zwang für sechs Monate wieder eingeführt werden.
Die Visa-Freiheit kann schon bisher entzogen werden, wenn es zu einem deutlichen Anstieg von "unbegründeten Asylanträgen" oder bei Verstößen gegen die Verweildauer kommt. Nun ist dies auch möglich, wenn das betroffene Land weniger Bereitschaft zeigt, abgeschobene Asylbewerber wieder aufzunehmen. Auch Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist ein mögliches Aussetzungskriterium.
EU bleibt bei 72 Kriterien hart
Die Regelung gilt auch für alle schon bisher erteilten Visa-Befreiungen. Derzeit brauchen Bürger aus gut 50 Staaten kein Visum, um in die EU einzureisen. Die EU-Kommission verhandelt derzeit mit der Türkei und dem Kosovo über die Aufhebung der Visumspflicht und hat zudem eine Visafreiheit für Bürger aus der Ukraine und Georgien vorgeschlagen.
Im Falle der Visa-Liberalisierung für die Türkei gab es am Freitag in Brüssel jedoch noch keine konkreten Beschlüsse. Dies sollte beim nächsten Innenministertreffen Mitte Juni geschehen, kündigte Österreichs Ressortchef Wolfgang Sobotka (ÖVP) an. Er betonte erneut, dass dafür alle Bedingungen erfüllt sein müssten, dies gelte im Besonderen für das Terrorismusgesetz. Die EU sieht hier eine Änderung als zwingen notwendig, Ankara sträubt sich jedoch dagegen.
Die EU habe in der Frage "eine äußerst harte Position", sagte auch Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve. Ankara müsse "alle 72 Kriterien", die Voraussetzung für die Visum-Freiheit sind, erfüllen. Luxemburgs Migrationsminister Jean Asselborn fügte hinzu, es sei nicht wahrscheinlich, dass die Visum-Freiheit komme, wenn die Türkei sich nicht bewege.
Kritik an Türkei wegen Immunitäts-Abstimmung
Allgemein gab es bei dem Treffen heftige Kritik an der Türkei, die am selben Tag die Immunität von mehr als einem Viertel der Parlamentsabgeordneten - allen Mitgliedern der pro-kurdischen HDP - aufhob. Die türkische Regierung betrachtet die HDP als einen verlängerten Arm der verbotenen Terrororganisation PKK, gegen mehrere Mitglieder laufen Terrorverfahren. Kritiker werfen dem türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan vor, er wolle die HDP politisch ausschalten, um die dann frei werdenden Mandate für seine AKP zu gewinnen.
"Es ist für uns inakzeptabel, Abgeordneten die Immunität zu rauben und sie unter einem Vorwand schlussendlich gerichtlich zu verfolgen", sagte Sobotka dazu am Freitag. Aus österreichischer Sicht sei dies auch deshalb bedenklich, weil dadurch wieder vermehrt Kurden nach Österreich fliehen könnten, wo bereits eine große kurdische Community existiere. "Die innenpolitische Entwicklung dieser Dimension wirft mindestens einen Schatten auf die Beziehungen", erklärte auch sein deutscher Amtskollege Thomas de Maiziere.
(APA/Reuters/AFP/dpa)