Registrierkasse reißt ein Loch in die Staatskasse

Themenbild
Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Manipulationssichere Kassen sollen dem Staat heuer 900 Millionen Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen bringen. Doch jetzt sollen die Vorschriften gelockert werden, und das könnte Folgen für die Budgetplanung haben.

Wien. Hans Jörg Schelling war wenig erfreut. Expertin Barbara Kolm vom Hayek-Institut hatte ihm am vergangenen Mittwoch im Budgetausschuss des Nationalrats eine lange Liste an Punkten aufgeführt, wegen derer die Einnahmen für das Budget nicht halten würden: Die Konjunktur ziehe nicht so an wie erwartet; bei der Betrugsbekämpfung, die allein 1,9 Milliarden Euro bringen soll, sei bisher wenig geschehen; und die 1,1 Milliarden Euro Einsparungen durch eine Verwaltungsreform seien ohnehin zweifelhaft.

„Verbreiten Sie bitte keine Orakel“, meinte der Finanzminister zu Kolm, und wollte damit offenbar ausdrücken, dass ihre Befürchtungen reine Spekulation seien. Doch die Orakel der Antike, das müsste Schelling von seiner Schulzeit am Bundesgymnasium Feldkirch wissen, behielten mit ihren Vorhersagen stets recht.

Das könnte auch diesmal der Fall sein, denn bei den Einnahmen gibt es bald eine weitere Unsicherheit: Die Registrierkasse, deren Einführung dem Staat laut Budgetplanung allein heuer 900 Millionen Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen bringen soll.

Lockerung der Vorschriften

Doch seit dieser Woche ist klar, dass es Zugeständnisse geben wird und die strengen Vorgaben, die auch Vereinen und Kleinstbetrieben ein manipulationssicheres Kassensystem vorschreiben, so nicht bleiben werden.

Schelling hatte am Feiertag erkennen lassen, dass eine Anhebung der Umsatzgrenze, ab der eine Registrierkasse geführt werden muss, denkbar sei: Statt 15.000 Euro Jahresumsatz könnten es 30.000 Euro werden. Zusätzliche Erleichterungen könnte es dem Vernehmen nach auch bei Vereinen geben: Der Begriff der Gemeinnützigkeit (in diesem Fall ist keine Kasse notwendig) könnte breiter gefasst werden, zudem könnte es statt nur 48 Stunden pro Jahr für Vereinsfeiern ohne Kasse eine Anhebung auf 72 Stunden geben.

Mit diesen Maßnahmen will man den verunsicherten Mitarbeitern in den Vereinen entgegenkommen. Für die Staatseinnahmen weitaus bedeutender aber ist, dass man mit der Verdoppelung der Umsatzgrenze auf 30.000 Euro Kleinstbetrieben mehr oder weniger zugesteht, einen Teil ihrer Einnahmen „schwarz“ kassieren zu können. Und genau das wirft eine große Frage auf: Werden auch dann noch 900 Millionen Euro an zusätzlichen Einnahmen möglich sein?

Eher nicht. Denn Untersuchungen zeigen, dass in erster Linie in Kleinbetrieben an der Steuer vorbei kassiert wird. Der Rechnungshof hat 2005 die „Außenprüfung bei den Finanzämtern“ – also die Betriebsprüfungen – detailliert untersucht und dabei folgende Feststellung gemacht: „Im Bereich der Kleinbetriebe erzielten die Finanzämter die höchsten durchschnittlichen Mehrergebnisse.“ Übersetzt: Diese Betriebsprüfungen brachten dem Finanzamt die höchsten Einnahmen, weil dort am meisten an der Steuer vorbeigeschwindelt wurde.

Konkret brachten die Betriebsprüfungen der Finanzämter im Untersuchungszeitraum 2003 bei einem Kleinbetrieb durchschnittlich 28.035 Euro an Nachzahlungen (zu den Kleinbetrieben zählt der Rechnungshof in dem Bericht Unternehmen mit weniger als 25 Angestellten und einem Umsatz von weniger als 364.000 Euro).

Die Einnahmen bei Betriebsprüfungen von Kleinbetrieben stiegen sogar an: „Im Jahr 2000 betrug ihr Anteil am Gesamtergebnis noch 47 Prozent, 2003 bereits 54 Prozent.“ Die Konsequenz für den Rechnungshof (RH) war klar: „Angesichts der hohen durchschnittlichen Mehrergebnisse je Prüfungsfall bei den Kleinstbetrieben empfahl der RH, ihren Anteil an den geprüften Unternehmen zu erhöhen.“

Den Einwurf, dass es kaum Unternehmen mit so geringem Umsatz gebe, entkräftet die Statistik: Von den 661.048 registrierten Unternehmen in Österreich machten 215.610 einen Umsatz von weniger als 22.000 Euro. Geht man bis 50.000 Euro Umsatz, kommt man auf etwas mehr als die Hälfte (334.737 Firmen).

Schweigen in der SPÖ

Mit der Frage, auf wie viele Millionen an Einnahmen der Staat bei einer Anhebung der Umsatzgrenze auf 30.000 Euro verzichten muss, beschäftigen sich gerade die Beamten des Finanzministeriums.

Offiziell gibt man sich entspannt: Man habe bei den 900 Mio. Euro „sehr konservativ“ gerechnet. Die Annahme war, dass fünf Prozent der Umsätze nicht deklariert wurden. In der Realität dürften es weitaus mehr sein. SPÖ-Politiker schätzten in der Vergangenheit die Schwarzumsätze in der Gastronomie auf bis zu 50 Prozent. Derzeit sorgt man sich offenbar um das Koalitionsklima und will zu dieser Thematik gar nichts mehr sagen.

Nach den monatelangen Diskussionen über die Registrierkasse soll es jetzt jedenfalls schnell gehen: In den kommenden ein, zwei Wochen will man sich auf die Änderung einigen, die Novellierung soll noch im Mai vom Nationalrat beschlossen werden.

AUF EINEN BLICK

Die Registrierkasse soll heuer laut Budgetplan 900 Mio. Euro an zusätzlichen Steuereinnahmen bringen. Diese Rechnung galt für Unternehmen mit mehr als 15.000 Euro Jahresumsatz. Nun könnte die Grenze, ab der eine Kasse geführt werden muss, aber auf 30.000 Euro angehoben werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

ARCHIVBILD/THEMENBILD: DAS BRINGT 2016: REGISTRIERKASSENPFLICHT / BETRUGSBEK�MPFUNG
Innenpolitik

Registrierkasse: SPÖ bereit für Änderungen

Bundeskanzler Faymann lässt Entschärfungen prüfen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.