Türkisches Parlament entzieht einem Viertel der Abgeordneten die Immunität

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Eine Zweidrittelmehrheit im türkischen Parlament sprach sich auf Wunsch von Präsident Erdogan dafür aus. Der Schritt richtet sich vor allem gegen die pro-kurdische HDP.

Alle Warnungen aus dem Westen haben nichts gefruchtet. Das türkische Parlament hat mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit für die Aufhebung der Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten gestimmt. Für den Vorstoß der regierenden islamisch-konservativen AKP stimmten am Freitag in Ankara 373 der 550 Parlamentarier. 138 Abgeordnete stimmten dagegen.

Der Schritt richtet sich vor allem gegen die Fraktion der pro-kurdischen HDP. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan wirft den HDP-Abgeordneten vor, der "verlängerte Arm" der verbotenen Untergrundorganisation PKK zu sein. Erdogan hat ausdrücklich dazu aufgerufen, ihre Immunität aufzuheben.

Befristete Verfassungsänderung

Die einmalige Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten geschieht über eine befristete Verfassungsänderung. Notwendig waren die Stimmen von mindestens 367 Abgeordneten. Damit ist der Weg für eine Strafverfolgung frei. Die HDP befürchtet die Festnahme von Abgeordneten ihrer Fraktion, gegen die vor allem Terrorvorwürfe erhoben werden. Parlamentarier anderer Parteien sehen sich Anschuldigungen wie etwa Amtsmissbrauch ausgesetzt. Die 138 betroffenen Abgeordneten verteilen sich auf alle vier Parteien.

Nach langem Streit und heftigen Prügeleien unter Abgeordneten hatte die Verfassungskommission des Parlaments den Weg für die Verfassungsänderung freigemacht. In der Kommission hatten bis auf die HDP alle Parteien für den AKP-Vorschlag gestimmt.

Die Verfassungsänderung tritt erst mit Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft. EU-Politiker haben das Vorgehen kritisiert. Der österreichische Nationalrat verabschiedete am Donnerstag einstimmig eine Resolution, in der die Sorge um die Parlamentsarbeit der Opposition in der Türkei ausgedrückt wurde; die Bundesregierung wurde aufgerufen, in Ankara auf die Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten zu dringen.

Eklat im Parlament

Vor der Abstimmung war es im Parlament in Ankara zu einem Eklat gekommen. Parlamentarier der größten Oppositionspartei verließen während der Debatte unter Protest den Saal. Die Abgeordneten säkularen Republikanischen Volkspartei (CHP) skandierten dabei: "Die Türkei ist laizistisch und wird laizistisch bleiben."

(APA/DPA)

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