EU-Innenminister beraten Deal mit Ankara.
Brüssel. Nachdem das Europaparlament die geplante Visumfreiheit für Türken kritisiert hatte, schlüpften die Innenminister der EU am gestrigen Freitag in die Rolle des „good cop“: Die Ressortchefs einigten sich bei ihrem Treffen in Brüssel darauf, die Gespräche über die Aufhebung der Visumpflicht auf EU-Ebene weiterzuführen.
Die Visumfreiheit ist Kernstück des Deals mit Ankara zur Eindämmung der Flüchtlingsströme nach Europa: Die türkische Regierung fordert im Gegenzug für ihre Kooperationsbereitschaft die Reisefreiheit für ihre Staatsbürger. Voraussetzung dafür ist freilich, dass die Türkei einen 72 Punkte umfassenden Anforderungskatalog umsetzt. Nach Einschätzung der EU-Kommission harren noch einige Punkte ihrer Umsetzung – besonders heikel aus EU-Sicht ist die Antiterrorgesetzgebung der Türkei, die auch gegen türkische Regimekritiker eingesetzt wird.
Um die Kritik der Europaabgeordneten zu entschärfen, verständigten sich die Innenminister gestern darauf, in die avisierte Visumliberalisierung eine Notbremse einzubauen: Demnach sollen die EU-Mitglieder die Reisefreiheit mit einfacher Mehrheit für sechs Monate aussetzen können, falls die Asylanträge aus der Türkei erheblich steigen, es einen erheblichen illegalen Aufenthalt gibt, wenn Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht – oder für den Fall, dass Ankara sich weigern sollte, Flüchtlinge aus Drittstaaten zurückzunehmen. Die Beobachtungsperiode, nach der die Notbremse gezogen werden darf, wurde mit zwei Monaten besonders kurz angesetzt. (ag./la)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.05.2016)