Die brutale Show der iranischen Hardliner

Was vor Teherans Revolutionsgericht geboten wird, ist ein Schauprozess, der an alte Sowjetzeiten gemahnt.

Das Ganze soll mehr sein als nur eine Abrechnung mit der verhassten Opposition. Das Ganze ist vor allem eine Show. Eine eiskalte Demonstration von Macht, um jedem, der auch nur kurz daran zweifelte, glasklar zu machen, wer in Irans Polizei- und Justizsystem immer noch den Takt vorgibt. Die Hardliner-Fraktion rund um Revolutionsführer Ali Khamenei und Präsident Mahmoud Ahmadinejad will mit dem Monsterprozess, der derzeit gegen 100 Kritiker in Teheran läuft, aber noch einen anderen Showeffekt erzielen: Sie will der iranischen Öffentlichkeit gleichsam beweisen, dass nicht das Ergebnis der jüngsten Präsidentenwahl Schwindel war, sondern vielmehr das Aufzeigen dieses Betrugs. Dass alle, die öffentlich in Zweifel zogen, dass das verlautbarte Wahlresultat korrekt ist, dafür nur einen Grund hatten: die Vernichtung der „Errungenschaften“ der Islamischen Revolution.

In diesem Orwell'schen Konstrukt dürfen natürlich auch die Lieblingsfeinde des iranischen Regimes nicht fehlen: der „böse“ Westen – allen voran die USA und Großbritannien. Denn wer sonst sollte die Angeklagten zu all den finsteren Plänen gegen das eigene Volk verführt haben?

Dass Khamenei, Ahmadinejad und die Ankläger des Revolutionsgerichts das wohl selbst nicht glauben, liegt auf der Hand. Vor allem Erstere müssen ja nur zu gut wissen, was sich am Wahltag bei der Stimmauszählung tatsächlich abgespielt hat.

Fragt sich, ob jene die Geschichte schlucken, für die sie eigentlich erfunden wurde: die iranische Bevölkerung. Bei eingeschworenen Ahmadinejad-Fans und bedingungslosen Vertretern einer reinen Lehre der Islamischen Revolution mag diese Propaganda auf fruchtbaren Boden fallen. Doch bei denen spielt es ohnehin keine Rolle, ob sie das alles für wahr halten – angesichts der viel wichtigeren „Wahrheiten“, für die sie kämpfen.

Ob die anderen, die Zweifler, denen der Hardliner-Flügel des Regimes offenbar wieder den rechten Weg weisen will, damit zu beeindrucken sind, steht freilich auf einem anderen Blatt. Denn wer sind denn die Kronzeugen der Anklage? Wer sind die, die das angebliche Komplott aufgedeckt haben, das Irans Opposition gemeinsam mit den feindlichen ausländischen Mächten geschmiedet haben soll? Es sind Männer, die seit vielen Tagen, abgeschirmt von der Außenwelt, in iranischen Gefängnissen schmachten. Männer, die offenbar gefoltert worden sind und die zum Tode verurteilt werden können, wenn den Richtern des Revolutionsgerichts danach ist. Männer, die sich unter diesem Druck selbst belasten und damit auch die prominenten Vertreter des sogenannten Reformflügels: den unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Moussavi und den Expräsidenten Mohammed Khatami. Umstände, die vielen Iranern nur zu klar sind.

Moussavi und Khatami reagierten denn auch sofort und übten heftige Kritik am Gerichtsverfahren in Teheran. Sie wiesen darauf hin, dass die Angeklagten durch Folter zu ihren Geständnissen gezwungen worden seien. Und entlarvten das Verfahren als das, was es ist, als einen üblen Schauprozess.

Wer im Iran schon bisher davon überzeugt war, dass seine Wählerstimme von der Khamenei/ Ahmadinejad-Fraktion einfach weggeworfen worden ist, wird nach den beklemmenden Selbstbezichtigungsauftritten der müde aussehenden Angeklagten die Meinung wohl kaum ändern – eher im Gegenteil. Die Funktion, Terror zu verbreiten, erfüllt der Schauprozess in Teheran aber allemal. Ansonsten dürfte er für seine Betreiber aber zu einem PR-Debakel werden: nach innen wie nach außen.

Denn vor der Welt hat sich die iranische Führung erneut selbst demaskiert – als ein Regime, das auch nicht davor zurückschreckt, Kritiker mit Methoden mundtot zu machen, die an sowjetische Schauprozesse gemahnen. Allein, die Stimmen des Protests, die in der Welt bisher zu vernehmen sind, sind noch sehr leise.

Zwar hat Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier als einer der Ersten das Verfahren als unfair gegeißelt und erneut die sofortige Freilassung aller politischen Gefangenen gefordert. Ansonsten hielt sich die internationale Diplomatie bisher weitgehend zurück. Freilich: Man fühlt sich in einer Zwickmühle, will durch Kritik nicht erst recht die Verschwörungstheorien nähren, wonach der Westen hinter den Protesten im Iran stecke. Doch der Prozessbeginn in Teheran beweist, dass Irans Regime auch ohne Kritik von außen sehr kreativ im Spinnen solcher Theorien ist.


wieland.schneider@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.08.2009)

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