Mister Vatertag

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THEMENBILD: VATERTAG(c) APA (HELMUT FOHRINGER)
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Der dreifache Vater Helmut Herz brachte vor sechzig Jahren als Werbeleiter einer Hemdenfirma den Vatertag nach Österreich.

Gute Ideen entstehen meist in einer Krise. So war das zumindest bei Helmut Herz und seinem Einfall, den Vatertag nach Österreich zu bringen. Als Werbe- oder wie man damals sagte „Reklameleiter“ der Hemdenfirma Gloriette war er vor allem auf der Suche nach einer Aktion, die das Geschäft ankurbeln würde. 1955 befand sich die österreichische Textilbranche in einer Krise und Herz kam die Idee, den in anderen Ländern bereits bekannten Vatertag nach Österreich zu bringen.

Geholfen hat ihm dabei auch sein guter Bekannter, der SOS-Kinderdorf-Gründer Hermann Gmeiner (1919–1986). Mit Sorge blickten die beiden in den protestantischen Norden Deutschlands, wo der Vatertag bis heute als sogenannter Männertag zelebriert wird, also als alkoholträchtiger Ausflugstag für Männer. „Der Gmeiner war ja für die Familie, es hat ihm also überhaupt nicht gefallen, dass die Väter am Vatertag wieder nicht zu Hause waren“, erzählt der heute 90-jährige Helmut Herz. „Wir hatten die Befürchtung, dieser Wahnsinn könnte auch hier bei uns zum Brauch werden.“

So trafen also eine vordergründig gute Sache und der ökonomische Hintergedanke zusammen und Herz trug seinen Firmenchefs das Ansinnen vor, diesen Vatertag ins Leben zu rufen. Seine einzige Bedingung war, die Aktion firmenneutral zu planen und auch andere Firmen dafür zu begeistern. Also rief er ein Vatertags-Komitee aus, in dem Vertreter aus diversen Branchen saßen und suchte Partner bei großen Firmen wie Philips, Kaufhäusern wie Herzmansky, Steffl und Stafa sowie bei der Tabak-Regie und dem Weinhandel. Er klapperte Redaktionen ab und entwarf Vatertagsinserate und -plakate mit Sprüchen wie "Vater sein ist vielfach Plag', drum' leb er hoch am Vatertag".

Die ersten Vatertagsinserate der Firma Gloriette im Jahr 1956.
Die ersten Vatertagsinserate der Firma Gloriette im Jahr 1956.Wallner

Variabler Feiertag

Und er entschied sich nach langer Tüftelei für den zweiten Sonntag im Juni als Vatertag. Weil ihm die zeitliche Nähe zum Muttertag vier Wochen davor passend erschien („Ich dachte mir, da haben die Mütter vielleicht noch ein schlechtes Gewissen, weil sie gerade beschenkt wurden“) und weil der Juni und die beginnende Sommerzeit vor allem für die Textilbranche als tote Zeit galt. Es gibt bis heute keinen global einheitlichen Vatertag. Nur Belgien ehrt die Väter am selben Sonntag wie Österreich. Amerikaner, Briten, Chinesen, Franzosen, Japaner und Kanadier feiern eine Woche später – am dritten Sonntag im Juni. Wie die meisten Länder der Welt. Russland begeht den Tag stets am 23. Februar, Australien am ersten Sonntag im September und Bulgarien am 26. Dezember.

Damals, im Frühjahr 1956, glaubte in Österreich nicht jeder an die Aktion. Ein Sekretär der Wirtschaftskammer blieb bis zuletzt skeptisch. Umso größer war die Genugtuung für Herz, als sich eben jener Funktionär am Montag nach dem ersten Vatertag meldete und freudig erzählte, dass ihn seine Kinder am Sonntag im Bett überrascht und ihm gratuliert hätten. „Ich hatte davor wochenlang schlaflose Nächte, weil ja nicht nur Gloriette einiges Geld in Werbung für den Vatertag gesteckt hatte.“ Hert hatte noch dazu ein persönliches Pech, er erlitt kurz vor dem ersten Vatertag einen Blinddarmdurchbruch. "Ich lag also im Göttlichen Heiland und habe mein Zimmer zu einem Büro umfunktionierrt. Die waren froh, dass ich nach acht Tagen wieder gegangen bin." All die Sorgen waren um sonst, die Aktion gelang schon im ersten Jahr und bescherte den Firmen ein kräftiges Umsatzplus.

Herz war 1956 selbst Vater eines Sohnes, 1959 kam eine Tochter hinzu, das dritte Kind starb bald nach der Geburt. Er war nicht nur ein sehr ideenreicher Werbeleiter, der im Lauf seines Lebens auch diverse Messen (etwa die Bürofachmesse Ifabo und die erste Spielwarenmesse) erfand, sondern auch ein für damalige Verhältnisse engagierter Vater. Der unerwartete Tod seiner Frau 1963 machte ihn zum Alleinerzieher. Der schönste Vatertag, erzählt er, war für ihn der erste, an dem ihm sein Sohn eine Zeichnung überreichte.

Geehrt

Mitte der Sechzigerjahre wechselte Herz den Beruf und wurde Herausgeber diverser Fachpublikationen. Die guten Kontakte zu Redaktionen, die ihm schon bei der Einführung des Vatertags geholfen hatten, hat er sich behalten. Man spürt, dass er seine Geschichte oft und gern erzählt und dass er nicht ohne Stolz auf seine „Erfindung“ blickt. Dass ihm Wiens Bürgermeister Häupl 2002 das Goldene Verdienstzeichen der Stadt Wien überreicht hat, nachdem ihm das dessen Vorgänger Zilk schon so lang versprochen hatte, erfüllt ihn mit Freude.

Tatsächlich kann sich der Handel bis heute bei Helmut Herz bedanken. Der Vatertag hat zwar nach wie vor nicht dieselbe Bedeutung wie der Muttertag, weil er von weniger Menschen gefeiert wird, aber für ein stattliches Umsatzplus sorgt er allemal. 17 Millionen Euro gaben allein die Wiener im Jahr 2014 für den Vatertag aus, in ganz Österreich sind es pro Jahr geschätzte 100 Millionen Euro. Zum Vergleich: Beim Muttertag 2015 gaben die Wiener rund 33 Millionen Euro aus, wie die Wiener Wirtschaftskammer errechnete. Herz hätte sich gewünscht, dass die Wirtschaftskammer ein "bisserl mehr Ramasuri" um den Tag macht; vor zwei, drei Jahrzehnten sei der Vatertag richtiggehend eingeschlafen. Mittlerweile ist er aus seiner Sicht, "auch dank der Medien", richtig "schön verankert".

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2016)

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