Ein Bauernbub macht Filme: Und wer übernimmt den Hof?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Für Sigmund Steiner war früh klar, dass seine Talente nicht in der Landwirtschaft liegen. Er hat jetzt drei Bauern und deren Kinder porträtiert.

Sogar, wenn man es weiß, hört man kaum noch heraus, wo Sigmund Steiner ursprünglich herkommt. Die steirische Färbung hat der Bauernbub aus einer kleinen Gemeinde bei Judenburg fast völlig abgelegt. So, wie er sich überhaupt ziemlich weit von seinen Wurzeln entfernt hat. Auf den ersten Blick zumindest.

Statt den elterlichen Bauernhof zu übernehmen, zog Steiner nach der Matura nach Wien, um Film zu studieren. Statt mit Kühen, Schafen, Wiesen und Wald zu arbeiten, studierte er an der Filmakademie, unter anderem bei Michael Haneke. Und hat nun einen Dokumentarfilm herausgebracht, in dem er das alles irgendwie verbindet. „Holz Erde Fleisch“ porträtiert drei Landwirte und ihre Kinder. Es geht um den Bezug zum Betrieb, ihre Beziehung zueinander. Und natürlich auch immer um die Frage, die sich alle Landwirte irgendwann stellen müssen, heute noch mehr: Wer übernimmt den Hof?

Für Sigmund Steiner war sehr früh klar: Er wird das nicht tun. „Wie der Erdäpfelbauer in meinem Film einmal sagt: Man braucht viel Liebe für den Beruf. Und die Liebe ist bei mir in eine andere Richtung gegangen.“ Und er sei auch nie wirklich dazu gedrängt worden. „Das war ein Luxus und anders als bei meinem Vater“, erzählt Steiner. „Er hat diesen Druck schon sehr stark verspürt.“ Der Vater ist eigentlich die zentrale Figur in Steiners Film. Wegen des zerrütteten Verhältnisses – es gibt seit Jahren eigentlich keinen Kontakt zwischen den beiden – kommt er allerdings nur indirekt vor. Oder wie Steiner aus dem Off ganz am Anfang sagt: „Ich werde meinen Vater nicht zeigen. Aber sehen wird man ihn trotzdem.“

„Es ist auch ein Familienfilm“

Insofern fließen in Steiners Film zwei Themen zusammen, zu denen der 38-Jährige immer schon arbeiten wollte: der arbeitende Mensch und bestimmte Vätermodelle. „Es ist mehr als ein Film über Bauern, übers Bauersein“, sagt er. „Es ist auch ein Familienfilm.“ Einer, in dem sich viele womöglich wiedererkennen. „Die wenigsten Menschen haben ein total konfliktfreies Verhältnis zu ihren Eltern.“ Es gehe auch um den Zwiespalt zwischen Herkunft und Zukunft. „Und darum, wie man mit der Tradition umgeht, ohne dass das einen erdrückt.“

Wenn man will, erkennt man ein paar Parallelen zwischen der Arbeit als Filmemacher und der als Bauer. Wie bei der Waldarbeit müsse man auch im Film immer wieder manche Teile herausschneiden, um andere zum Wachsen zu bringen, sagt Steiner in seinem Film einmal. Ähnlich wie in der Landwirtschaft ist auch die finanzielle Situation: nämlich eher hart. Zu hundert Prozent leben kann Steiner vom Filmemachen nicht. Er unterrichtet nebenbei an einer HTL im Bereich Film.

14-Jährige schlachten eine Kuh

Thematisch geht Steiner nun weg vom Ländlichen – dem zweiten Thema von „Holz Erde Fleisch“ bleibt er aber treu. Während seine früheren Filme sehr viel mit Landleben und Aufwachsen auf dem Land zu tun hatten – einmal begleitete er beispielsweise 14-jährige Landwirtschaftsschüler dabei, wie sie zum ersten Mal eine Kuh schlachteten –, will er einen Spielfilm machen, der sich mit Familie auseinandersetzt. Konkreter: mit Familie und Verlust.

Den elterlichen Bauernhof in St. Georgen ob Judenburg, auf dem Steiner seit Jahren nicht mehr gewesen ist, gibt es übrigens weiter. Bewirtschaftet wird er von Steiners Cousin. „Der war schon früher beim Traktorfahren immer talentierter als ich.“

ZUR PERSON

Sigmund Steiner (38) kommt aus einer Bauernfamilie in St. Georgen ob Judenburg in der Steiermark. Statt den elterlichen Hof zu übernehmen, ging er nach der Matura nach Wien, studierte erst Publizistik und Theaterwissenschaften und dann Regie an der Filmakademie bei Wolfgang Glück und Michael Haneke. „Holz Erde Fleisch“ wurde im Mai beim Dok-Fest in München als Bester deutschsprachiger Film ausgezeichnet. Er läuft seit Freitag in den heimischen Kinos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2016)

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