Finanzminister Hans Jörg Schelling muss 148 Mio. Euro für Entschädigung der Anleger aus dem Budget locker machen.
Wien. Nur im schlimmsten Fall müsse der österreichische Steuerzahler für die Schäden der AvW-Anleger aufkommen, hieß es bis vor kurzem. Der ist nun offenbar eingetreten. Im Finanzministerium hat man in den letzten Wochen einen Entwurf zur Änderung des Wertpapieraufsichtsgesetzes gebastelt, in dem die Anlegerschäden auf den Bund überwälzt werden.
Obwohl der Entwurf schon am Dienstag den Ministerrat passierte, bekam ihn zuvor nur die Wirtschafts- und Arbeiterkammer zu sehen. Ein ordentliches Begutachtungsverfahren gab es nicht. Normalerweise werden zahlreiche Interessensverbände wie die Industriellenvereinigung oder die Rechtsanwaltskammer ebenfalls eingebunden. Für den Steuerzahler bedeutet der Entwurf Unerfreuliches, wird er doch nach dem Hypo-Desaster schon wieder zur Kassa gebeten – wenn auch „nur“ mit 148 Mio Euro. Schellings Gesetzesentwurf sieht nämlich folgendes vor: Der Minister wird ermächtigt, an die Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen (AeW) im Jahr 2016 eine Zahlung von über 148 Mio. Euro zu leisten.
„Schaden wird solidarisiert“
Und warum? Eigentlich müsste ja die Haftungsgesellschaft AeW jenen 12.500 Anlegern ihre Schäden ersetzen, die sie aufgrund ihrer Fehlinvestitionen in Wertpapiere die AvW-Aktiengesellschaft erlitten haben. Das Unternehmen des Finanzbetrügers Wolfgang Auer-Welsbach ging 2012 pleite, die Wertpapiere verloren jeden Wert. Eine Klagsflut war die Folge. Und der Oberste Gerichtshof verurteilte 2015 schließlich die AeW zu Entschädigungszahlungen an die Anleger. Doch die AeW sieht sich außerstande, diese rund 153 Mio Euro zu berappen. „Sie übersteigen die Leistungsfähigkeit der AeW bei Weitem“, sagte ihr Geschäftsführer Johannes Gotsmy zur „Presse“. Dabei hat die AeW bei ihren Mitgliedern, den österreichischen Wertpapierunternehmen, 2015 schon Sonderbeiträge eingehoben. „Aber sie trifft überhaupt kein Verschulden an der AvW-Pleite“, sagt Gotsmy. Es sei gesetzlich auch nicht vorgesehen, dass sie mehr zahlen, „denn sonst wären sie selbst in ihrer Existenz gefährdet.“ Und nachdem die Rechtsprechung nicht die Anleger die Verantwortung für ihre Investments tragen lassen will, bleibt nur eines: „Der Schaden wird solidarisiert“, so Gotsmy.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2016)