Germanentheater von Amon Amarth, Solidaritätsrock von Billy Talent: keinerlei Anzeichen von Lagerbildung auf dem riesigen Festival bei Nickelsdorf.
Nein, ein erklärter Lieblingssong des dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer stand erst am Freitag auf dem Programm beim Nova-Rock-Festival: „Sound of Silence“ von Simon & Garfunkel in der mit Gewalt verkitschten Version der US-Metal-Band Disturbed, die auch gern von „tausend Fäusten in der Luft“ schwärmt. Doch schon am Donnerstag spielte eine Formation, die zumindest Hofers Lieblingsmaler Manfred „Odin“ Wiesinger gefallen sollte: Amon Amarth aus Schweden riefen gleich im ersten Song („The Pursuit of Vikings“) den germanischen Göttervater Odin an, beschworen im Weiteren vor Drachenköpfen und Runensteinen den Wolf Fenris, den Donnergott Thor und überhaupt alle Asen, tranken dazu auf die segensreichen Wirkungen des Bieres.
Auch wenn das tiefe nordische Grunzen auf Nichtkenner zunächst verstörend wirken mochte, es war ein im Grunde freundliches Germanentheater, auch gern ertragen von Festivalbesuchern, die selbst lieber aus Bechern als aus Trinkhörnern (die es bei einem Stand zu kaufen gab) trinken. Auch die (etwas rareren) Fans der bekennend christlichen US-Band Skillet, die am Nachmittag gespielt hatte, stießen sich nicht an der heidnischen Show.
Friedliche Gewehre der Jugend
Keine Anzeichen von Lagerbildung (abgesehen vom Zeltlager) also auf den weiten „Pannonian Fields“ bei Nickelsdorf. Schon gar nicht bei der nächsten Band, Billy Talent aus Kanada, seit über einem Jahrzehnt eine sichere Bank für Rockfestival-Veranstalter. Sie schwenken nicht wie Amon Amarth die Flagge Asgards, sondern die „Red Flag“, freilich politisch nicht konkret und völlig friedlich: „Our only weapons are the guns of youth“, heißt es im gleichnamigen, bestens zum kollektiven Mitsingen geeigneten Song. Ihrem Sänger Benjamin Kowalewicz glaubt man nicht nur seine Kritik an allen starren Ideologien (formuliert etwa, apropos Amon Amarth, in seinem Song „Viking Death March“), sondern auch seine Empathie. Ein übers andere Mal rief er, man möge sich um notleidende Nächste kümmern, auch hier auf dem Gelände: „Wenn ihr einen Verletzten seht, helft ihm auf!“
Gottlob, zumindest am ersten Tag gab es keine ernsthaft Verletzten bei Nova Rock. Und auch heuer wieder ist es beeindruckend, wie geduldig, wie gelassen und aggressionsfrei die meist jungen Besucher die Unbill ertragen, die ein so riesiges Festival mit sich bringt, sei es noch so gut organisiert (und das ist es), allein durch die bedauerliche Tendenz der Wolken, schamlos ihr Wasser zu lassen. Natürlich, man kann darüber lächeln, wenn am T-Shirt-Stand die Motive Nirvana und Nutella wetteifern, oder wenn unter „Rock Food“ offenbar in alter burgenländischer Tradition alles verstanden wird, was paniert ist (so definierte ja der einstige Kanzler Sinowatz sein Lieblingsessen), aber es ist ein sympathisches, teils mit Selbstironie verziertes Wochenendleben auf diesem Festival, das noch bis Sonntag dauert.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2016)