Bei konventioneller Milch gibt es einen dramatischen Preisverfall. Im Parlament sucht man heute nach kurz- und langfristigen Lösungen für die österreichischen Bauern.
Der "Milchdialog" im Parlament soll am Dienstag Lösungen für das dramatische Milchpreis-Tief liefern. Es gehe einerseits um "kurzfristige Unterstützung" für die Bauern, andererseits um "mittel- und langfristige Zukunftsperspektiven", sagte Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) vor Beginn des Gipfels. Den Vorschlag des Bauerbundes die Sozialversicherungsbeiträge für die Bauern für ein Quartal zu erlassen, bezeichnete Rupprechter als "sehr gut". Auf europäischer Ebene plädiert der Landwirtschaftsminister für einen Lieferverzicht, um die Überproduktion zu reduzieren. Langfristig seien die Marktaussichten für die Milchbauern in Europa und international aber "nicht schlecht", so Rupprechter.
Bauern erhalten heute für konventionell erzeugte Milch um dreißig Prozent weniger als noch vor zwei Jahren. Bei Heu- und Biomilch - rund ein Fünftel der Milchproduktion - ist die Lage entspannter, weil die Milchbauern dafür noch deutlich mehr Geld erhalten. Im April erhielten die heimischen Milchbauern von den Molkereien im Schnitt nur noch 28 Cent für konventionell erzeugte Milch, für Bio-Heumilch mit 47 Cent deutlich mehr. In einigen Ländern, etwa Deutschland und Spanien, liegt der Bauern-Milchpreis bereits teilweise unter 20 Cent.
Anfang April 2015 sind die Milch-Produktionsbeschränkungen in der EU aufgehoben worden. Seitdem liefern die Bauern deutlich mehr Milch an die Molkereien.
Überproduktion verhindern
Für Bauernbund-Chef Jakob Auer würden eine Stundung der Agrarinvestitionskredite, ein kurzfristiger Erlass der Sozialversicherungsbeiträge und Maßnahmen bei Milch-Transportzuschüssen die Lage der Milchbauern verbessern. Die Molkereien sollten auch mit den Milchbauern gemeinsam eine "Mengenregulierung" vereinbaren, um eine Überproduktion zu verhindern. Vom Gipfel erhofft sich Auer eine "Strategie für einen besseren Milchpreis".
Der Landwirtschaftssprecher der Grünen, Wolfgang Pirklhuber, forderte vor Beginn des Milchgipfels die Einführung eines Bonus-Malus-Systems, um Milchbauern zu belohnen, die freiwillig weniger produzieren. Betriebe mit "Turbokühen" müssten hingegen Strafzahlungen (Malus) leisten. Den Erlass der Sozialversicherungsbeiträge für ein Quartal bezeichnete Pirklhuber als "Not-Not-Maßnahme" und als "Almosen". Es sei "keine Lösung des Milchmarkt-Dilemmas" und "Ausdruck einer schlechten Agrarpolitik".
Berg- und Talfahrt
Die heimischen Bauern haben beim Milchpreis in den vergangenen Jahren eine Berg- und Talfahrt erlebt. Vor der ersten Milchkrise erhielt ein Landwirt im Jahr 2008 noch einen Rekordpreis von 40 Cent/kg für konventionell erzeugte Milch, dann stürzte der Preis aber bis Juli 2009 auf 25 Cent ab, ehe er sich bis zum Jahr 2014 wieder auf 40 Cent erholte. Dann setzte der Milchpreis wieder zum Sinkflug an.
Das aktuelle Preistief in Österreich und Europa liegt am Überangebot an Milch im Gefolge der Liberalisierung des EU-Milchmarkts - Anfang April 2015 wurden die Milchproduktionsquoten abgeschafft - und am Russland-Embargo. Die schwächelnde Nachfrage in China drückt zusätzlich den Weltmarktpreis.
Strukturwandel durch EU-Beitritt
Der EU-Beitritt Österreichs im Jahr 1995 hat den Strukturwandel in der österreichischen Milchwirtschaft beschleunigt. Vor dem Beitritt lieferte der durchschnittliche Bauer jährlich 26.000 Kilogramm Milch, heute sind es mehr als 86.000 Kilogramm. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Milchbauern von 86.000 auf 31.000 gesunken. Viele Nebenerwerbsbauern hörten mit der Milchproduktion auf. Im Vergleich zu "Gunstlagen" in Norddeutschland, Holland, Irland und Dänemark haben die österreichischen Milchbauern - vor allem Bergbauern - deutlich höhere Betriebskosten. Auch die gentechnikfreie Fütterung - in anderen EU-Ländern nicht Standard - erhöht zusätzlich die Kosten für die Bauern.
(APA)