Ungarn-Slowakei: Der Privatbesuch des Präsidenten

Laszlo Solyom
Laszlo Solyom(c) REUTERS (STR)
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Der ungarische Präsident Laszlo Solyom ist in der Slowakei unerwünscht. Sein geplanter Besuch zur Enthüllung eines Reiterstandbilds in Komárno wird von Bratislava als Provokation gesehen. Der Ton wird schärfer.

Der ungarische König Stephan der Heilige (gestorben 1038) sitzt stolz auf einem Pferd und hält sein Banner fest in der Hand. Seine Haltung strahlt die Macht und Würde aus, die man vom ersten Herrscher des großungarischen Reiches erwartet.

Sein Blick ist ernst – wie es sich für einen Herrn über viele Völker in diesem multinationalen Reich des Mittelalters geziemt –, aber nicht grimmig. Die Aufstellung des Reiterstandbildes in der südslowakischen Grenzstadt Komárno (ungarisch Komárom) sorgte an diesem Wochenende für einen diplomatischen Eklat zwischen den beiden EU-Mitgliedern Slowakei und Ungarn.

Grimmig schaut freilich der republikanische Spät-Nachfolger des Königs drein, als er mitten auf der Donaubrücke steht, die eigentlich die ungarische Stadt Komárom und das slowakische Komárno verbinden sollte. Und nicht weiter gelassen wird. Staatspräsident Laszlo Solyom geißelt die Entscheidung der slowakischen Regierung, ihm die Einreise zu verweigern, als „nicht zu entschuldigen“.


„Unerhörte Provokation.“ In Bratislava hatte man schon das Ansinnen des Besuchs als „unerhörte Provokation“ empfunden. Das Großreich des nunmehrigen ungarischen Nationalheiligen Stephan ist nämlich im ersten Weltkrieg – tausend Jahre nach seiner Entstehung – an den erst Ende des 19. Jahrhunderts aufkeimenden nationalen Gegensätzen seiner vielen Völker zerbrochen. Und die inzwischen in einem eigenen Staat lebenden Slowaken gehören zu jenen Völkern, die noch immer fürchten, dass Politiker des verbliebenen Rest-Ungarn sich damit nicht abfinden wollen. Laszlo Solyom gehört schon traditionell zu jenen ungarischen Politikern, die solche Befürchtungen immer wieder anheizen: Nicht zum ersten Mal reiste er zu einer ungarischen Nationalfeierlichkeit in eines der einst zu Großungarn gehörenden Nachbarländer und deklarierte seine Reise als „Privatbesuch“, um keine offiziellen Repräsentanten des Gastlandes treffen zu müssen.

Für Bratislava war es eine ungeheure diplomatische Provokation, dass sich Solyom von Komárnos (zur ungarischen Minderheitspartei gehörenden) Bürgermeister Tibor Bastrnak zur Denkmalsenthüllung für einen ungarischen König auf slowakischem Territorium einladen ließ, ohne dabei auch das Staatsoberhaupt des Gastlandes treffen zu wollen.

Der slowakische Staatspräsident Ivan Gasparovic hat nämlich in seinen bereits fünf Jahren Amtszeit noch nie einen offiziellen Besuchstermin in Bratislava (Pressburg) bekommen und war auch zur Feier in Komárno nicht eingeladen. Für den sozialdemokratischen slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico hatte deshalb die Denkmalenthüllung in Komárno den Charakter einer „Feier einer ungarischen Staatlichkeit auf dem Boden der souveränen Slowakei“ – und das noch dazu am Jahrestag der Niederschlagung des (vom Slowaken Alexander Dub?ek geführten) „Prager Frühlings“ durch Truppen des Warschauer Paktes am 21. August 1968. So eine Provokation wolle man sich nicht bieten lassen. In immer schärfer werdenden diplomatischen Warnungen versuchte Bratislava den ungarischen Präsidenten von seiner Reise abzuhalten: „Sie sind jederzeit in der Slowakei willkommen, aber nicht an diesem Tag und in dieser Form“, hieß es zuletzt. Die formelle Verweigerung der Einreise, nachdem Solyom auf seiner Besuchsabsicht beharrte, sieht zwar auch Außenministeriums-Sprecher Peter Stano als nicht sehr glückliche Lösung. Doch habe tatsächlich ein hohes Sicherheitsrisiko bestanden, weil Extremisten beider Länder den Termin für Zusammenstöße nützen hätten können. Auch wäre der ungarische Präsident selbst gefährdet gewesen: „Hätte jemand Eier auf den ungarischen Präsidenten geworfen, wäre das Problem noch viel größer gewesen.“

Am Tag nach dem Eklat flogen Eier auf die Statue des guten ungarischen Königs, dem man doch wirklich keine Schuld an dem Disput geben kann. „Wir haben das Denkmal die ganze Nacht über bewacht. Aber bei Sonnenaufgang haben wir die Wache abgezogen – und da muss jemand die Eier auf die Statue geworfen haben“, sagt Bürgermeister Tibor Bastrnak entschuldigend gegenüber den slowakischen Medien. Und auf der ungarischen Grenze nützte sogleich die rechtsextreme „Ungarische Garde“ wieder einmal ihre Chance, mit einer „spontanen Grenzblockade“ auf sich aufmerksam zu machen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2009)

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