Kunden in Europa erhalten keine Entschädigung nach US-Vorbild, sagt VW-Chef Müller. Das wäre für den Konzern zu teuer.
Berlin/Wolfsburg. Wer einen Volkswagen mit manipuliertem Dieselmotor fährt, erhält vom Konzern mindestens 5100 US-Dollar (umgerechnet 4600 Euro) Entschädigung. Aber nur, wenn er in den USA lebt und fährt. Volkswagen-Kunden in Europa werden definitiv leer ausgehen, wie VW-Chef Matthias Müller am Sonntag zu verstehen gab.
Müller warnte in der „Welt am Sonntag“ vor drastischen Konsequenzen, falls der Autobauer im Abgasskandal die Kunden in Europa nach US-Vorbild entschädigen müsste. Volkswagen habe bisher zur Lösung der Krise 16,2 Milliarden Euro zurückgestellt und sei weiterhin finanziell solide aufgestellt. „Man muss kein Mathematiker sein, um zu erkennen, dass eine Entschädigungszahlung in beliebiger Höhe auch Volkswagen überfordern würde“, sagte Müller.
Im April hat der Wolfsburger Konzern den US-Behörden vorgeschlagen, Kunden mit Schummelmotoren die Autos entweder abzukaufen oder ihnen 5000 Euro Schadenersatz zu zahlen. In der Vorwoche hat man sich geeinigt. Dazu kommen die Kosten für die Umrüstung der betroffenen Autos. Die EU-Kommission forderte, dass VW auch Fahrzeugbesitzern in Europa freiwillig eine Kompensation zahlen solle, vergleichbar mit der, die US-Konsumenten bezahlt werde.
Aber nichts da. VW-Chef Müller verwies darauf, dass die Sachlage in den USA anders sei als in Europa. „In den USA sind die Grenzwerte deutlich strenger, damit wird auch die Nachrüstung komplizierter.“
Die Prämie solle ein Anreiz für die Kunden sein, ihre Autos umrüsten zu lassen. Zudem sei die Teilnahme an einer Rückrufaktion in den USA freiwillig – anders als etwa in Deutschland. „Und was es nicht zuletzt wirtschaftlich für unser Unternehmen bedeuten würde, würde wir das doch tun, muss ich wohl nicht weiter ausführen“, so Müller.
Deutscher Großkunde plant Klage
Neuer Ärger kommt auf VW vonseiten eines Großkunden zu: Das Fischunternehmen Deutsche See plant eine millionenschwere Klage wegen arglistiger Täuschung. Der Mittelständler wirft dem Autobauer vor, Absprachen für gemeinsame Nachhaltigkeitsprojekte nicht eingehalten zu haben.
Die Deutsche See ist VW-Großkunde und hatte vor rund sechs Jahren seinen 450 Wagen starken Fuhrpark komplett auf Fahrzeuge aus dem Hause Volkswagen umgestellt. Ein VW-Konzernsprecher sagte am Sonntag auf Anfrage: „Da uns eine solche Klage nicht vorliegt, können wir uns dazu auch nicht äußern.“ (dpa/red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2016)