Wimbledon: Die Stunde der Verfolger

Roger Federer steht zum bereits 14. Mal im Viertelfinale von Wimbledon.
Roger Federer steht zum bereits 14. Mal im Viertelfinale von Wimbledon.(c) REUTERS (ANDY COULDRIDGE)
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Durch das frühe Aus von Topfavorit Novak Djoković ist der Kampf um die Wimbledon-Krone spannend wie lang nicht. Roger Federer spekuliert in London mit seinem 18. Majortitel.

Wimbledon/Wien. Selbst die aufmerksamsten Beobachter der Szene konnten sich kaum noch erinnern. Vor über sieben Jahren, bei den French Open 2009, war ein Grand-Slam-Turnier für Novak Djoković zuletzt derart früh zu Ende gegangen. Oftmals blieb der Serbe bis zum Finalsonntag, seit den US Open 2014 war Djoković ohnehin ein Dauergast in den Endspielen um die wichtigsten Trophäen im Welttennis.

In Wimbledon erwies sich in der dritten Runde der US-Amerikaner Sam Querrey als Spielverderber für den Mann aus Belgrad. Fans und Konkurrenten applaudierten dem 28-jährigen Kalifornier, Siege gegen Djoković (Saisonbilanz 46:4) sind schließlich eine echte Rarität.

Willkommene Überraschungen

Den Nimbus der Unbesiegbarkeit auf der größtmöglichen Bühne hat der Weltranglistenerste damit kurzerhand verloren. Die Chance auf den so schwer zu realisierenden Grand Slam, den Gewinn aller vier Majorturniere in einem Jahr, ebenso. Zuletzt gelang dieses Kunststück Rod Laver 1969. Der beste Tennisspieler der Gegenwart wurde auf seinem rasanten Weg zu weiteren Rekorden also ausgebremst. Von einem Spieler, dessen Heldentat nicht wirklich vorhersehbar war. Weder hatte Querrey ein Vorbereitungsturnier gewonnen, noch brillierte er in der Vergangenheit auf dem heiligen Rasen von Wimbledon (bestes Ergebnis: Achtelfinale 2010).

Doch ausgerechnet der unscheinbare Weltranglisten-41., der nach einem Dreisatzsieg gegen den Franzosen Nicolas Mahut mittlerweile bereits im Viertelfinale steht, hat mit seinem Triumph einer Schar von meist glücklosen Verfolgern Hoffnung gemacht. Djoković, der Branchenprimus, erscheint urplötzlich nicht mehr unschlagbar.

Der Sport lebt von genau solchen Geschichten, wie sie Sam Querrey am vergangenen Samstag geschrieben hat. Nicht, dass Rekorde und Siegesserien von Novak Djoković an Imposanz verlieren oder gar Langeweile verbreiten würden. Sie sind genauso beeindruckend wie seinerzeit jene von Jimmy Connors, Björn Borg oder Roger Federer, um nur drei Spieler zu nennen. Fakt ist aber: Etwas Unberechenbarkeit ist nie verkehrt. Das Publikum liebt seine Stars, aber mindestens genauso liebt es Überraschungen wie jene durch Querrey.

An der Londoner Church Road zeichnen sich jedenfalls spannende Tage ab. Durch den frühzeitigen Abschied des Titelverteidigers und erklärten Topfavoriten hat quasi ein neues Turnier begonnen. Die verbliebenen Spieler träumen vom großen Coup, der für Roger Federer in Wimbledon schon sieben Mal Realität wurde. Der Schweizer erreichte am Montag durch ein 6:3, 6:2, 7:5 gegen den US-Amerikaner Steve Johnson das Viertelfinale. Federer, 34, könnte zum größten Profiteur des Djoković-Abschieds avancieren, er hätte im Halbfinale auf den Serben treffen können.

„Ab jetzt zählt es!“

Der Basler hält mit 17 Grand-Slam-Titeln den Rekord, das bislang letzte Mal erhielt seine Sammlung vor vier Jahren in Wimbledon Zuwachs. Seitdem erreichte Federer bei 14 Versuchen noch drei Mal ein Majorfinale, nicht wenige sehen bei der diesjährigen Auflage des Klassikers seine vielleicht schon letzte reelle Chance auf Titel Nummer 18. „Ab jetzt zählt es! Ich muss mein bestes Tennis spielen“, sagte Federer, der nun auf den Kroaten Marin ?ilić trifft.

Wimbledon Achtelfinale

Herren: Federer (SUI/3) – Johnson (USA) 6:2, 6:3, 7:5. Čilić (CRO/9) – Nishikori (JPN/5) 6:1, 5:1 ret. Querrey (USA) – Mahut (FRA) 6:4, 7:6, 6:4.

Damen: Cibulková (SVK/19) – Radwańska (POL/3) 6:3, 5:7, 9:7. Kerber (GER/4) – Doi (JPN) 6:3, 6:1. Halep (ROU/5) – Keys (USA/9) 6:7, 6:4, 6:3. Pawljutschenkowa (RUS/21) – Vandeweghe (USA/27) 6:3, 6:3. Schwedowa (KAZ) – ?afářová (CZE/28) 6:2, 6:4.

Herrendoppel: Huey/Mirny (PHI/BLR/12) – Marach/Martin (AUT/FRA) 6:3, 6:2, 7:6.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.07.2016)

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