Thomas Müller: Auf der Suche nach dem Torinstinkt

 Thomas Müller streckt sich, bei dieser EM wartet der Stürmer aber bislang vergeblich auf den Torjubel.
Thomas Müller streckt sich, bei dieser EM wartet der Stürmer aber bislang vergeblich auf den Torjubel.(c) APA/AFP/PATRIK STOLLARZ
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Es ist bisher nicht die EM des Thomas Müller. Der deutsche Torjäger, der sonst immer und überall trifft, steckt in einer Krise. Es fehlen Lockerheit und das nötige Glück, gegen Frankreich soll nun der Befreiungsschlag gelingen.

Marseille/Wien. Nicht einmal vom Elfmeterpunkt sollte es klappen. Thomas Müller schupfte den Ball in die Hände des Italieners Gianluigi Buffon. Deutschland stieg dennoch ins Halbfinale auf, trifft am Donnerstag in Marseille auf Gastgeber Frankreich, doch für Torjäger Müller ist diese EM wie verhext, es will ihm einfach kein Treffer gelingen.

16 Schüsse hat der Bayern-Star in fünf Partien abgegeben, von allen noch torlosen Spielern hat es nur Belgiens Kevin De Bruyne (21) öfter probiert. Seinen Torinstinkt hat Müller wohl nicht verloren, es fehlte zuletzt aber die Durchschlagskraft, die Lockerheit. In der Vergangenheit konnte er sich bei seinen Toren aus den mitunter unmöglichsten Positionen auch auf das nötige Glück verlassen, in Frankreich scheint es ihm bisweilen abhandengekommen zu sein. Zweimal traf er nur Aluminium, dann verhinderte eine Glanzparade von Buffon seinen ersten Torerfolg, später ein spektakulärer Hechtsprung von Italiens Alessandro Florenzi. Seit insgesamt zehn EM-Spielen ist Müller nun schon ohne Treffer.

Müllers Versprechen

DFB-Coach Joachim Löw plagen ohnehin schon Personalsorgen vor dem Halbfinale. Hummels ist gesperrt, Khedira verletzt, Schweinsteiger fraglich, auch Stürmer Mario Gomez fällt mit Muskelfaserriss aus. Wer aber hätte gedacht, dass Besiktas-Stürmer Gomez, der in den ersten beiden EM-Partien noch auf der Bank saß, die größte Lücke beim Weltmeister hinterlässt? Dafür ist vor allem Müllers Torflaute verantwortlich, aber auch die restliche Offensivabteilung trat bisher zurückhaltend auf. Gomez ist der einzige Deutsche bei dieser EM, der mehr als einmal getroffen hat (zwei Tore in drei Spielen).

Löw könnte nun den glücklosen Mario Götze in die Startelf zurückholen, auch Julian Draxler steht bereit. Bei beiden Varianten muss Müller ins Sturmzentrum rücken. „Falls ich da auflaufe, werde ich mich genauso in die Zweikämpfe reinhauen, genauso auf den ersten Pfosten laufen, wie es eben von einem Stürmer verlangt wird“, versprach der 26-Jährige.

Bei den Bayern hat Müller mit 20 Saisontoren eine persönliche Bestleistung aufgestellt. Am Ende der Saison aber hat er nachgelassen, Sinnbild dafür war sein verschossener Elfmeter im Champions-League-Halbfinale gegen Atlético Madrid, ein Mitgrund für den gescheiterten Münchner Triple-Traum. Der Dauerläufer benötigt nach über 60 Pflichtspielen eine Pause, er selbst klagt: „Es geht eher in die Richtung, noch mehr Spiele zu machen, als sie zu reduzieren. Das ist schon bedenklich.“

Auf dem Platz rackert der Oberbayer trotzdem wie eh und je. Inzwischen ist aber seine Anspannung erkennbar, Müller ist nicht mehr so locker, wie es gerade für sein unkonventionelles Spiel wichtig wäre.

Benzin und Speziallack

„Ich habe im Duden nachgeschlagen: Bei Lockerheit steht Thomas Müller mit einem Foto von ihm“, scherzte zwar Teammanager Oliver Bierhoff, doch seine demonstrative Gelassenheit täuscht nicht darüber hinweg, dass Müllers Durststrecke eine ungewohnte Situation im deutschen Lager ist. „Ein Tor würde mir Ruhe geben, dann hätte ich keine Fragen dazu mehr zu beantworten“, meinte Müller. Ansonsten hatte er flotte Sprüche zum Thema parat, einmal wurde er bildhaft: „Tore sind nicht mein Benzin, eher der Lack auf dem Auto, der Speziallack, der nach außen gut aussieht.“

Löw macht sich keine Sorgen um seinen Torjäger. „Ich habe das Gefühl: Wenn es wirklich ein Tor braucht, dass er dann eins macht“, sagte der Coach. Im Training kurz zuvor hatte Müller seine ersten drei Schüsse vorbei oder drüber gesetzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2016)

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