"Die Aggressionen nehmen zu"

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Mariella R. wurde mit einem Schraubenzieher attackiert. Ihren Dienst konnte sie erst anderthalb Jahre danach wieder voll aufnehmen. Dennoch: Ihren Beruf liebt sie.

Auch bei Mariella R. war es ein Einsatz, wie er unzählige Male vorkommt: Sie und ihr Funkwagenpartner sind im zweiten Bezirk unterwegs, als sie zu einer Gemeindewohnung gerufen werden, in der offenbar eine Frau angegriffen wird. Von drinnen hören sie noch ein „wenn es die Polizei ist, stech' ich sie ab“ – Zeit, die Sondereinheit Wega zu rufen, bleibt da aber nicht, die Tür fliegt auf, ein 2,03 Meter großer Tschetschene stürzt sich mit einem Schraubenzieher auf die beiden Beamten.

Es folgt eine Rauferei, der Mann stößt sie und ihren Kollegen immer wieder mit voller Wucht zu Boden, er erleidet eine Schädel- und Brustprellung, sie zieht sich beim Aufschlagen am Boden Prellungen und Hämatome zu. Ein Jahr lang hat Mariella R. Schmerzen, man vermutet, es liege an der Halswirbelsäule. Sie ist teilweise im Krankenstand, teilweise im Innendienst. Erst nach einem Jahr stellt sich heraus, die Schmerzen kommen von der Schulter. Im Endeffekt, sagt sie, habe sie dieser Einsatz ein Jahr, das sie mit starken Schmerzen und Medikamenten verbracht hat, gekostet. Nach einer Operation kann sie im Februar 2016, rund anderthalb Jahre nach dem Angriff, ihren Dienst wieder voll aufnehmen – und ist seither wieder im Funkwagen unterwegs.

Schließlich habe sie schon als Kind gewusst, dass sie zur Polizei gehen will, und nach einem Betriebswirtschafts- und Chinesisch-Studium habe sie das dann auch durchgezogen. „Seit ich im Außendienst bin, seit vier Jahren, sind die Aggressionen gegenüber uns mehr geworden. Jugendliche rempeln einen im Vorbeigehen an, der Respekt schwindet, es sind mehr Waffen im Einsatz.“ Nach Ereignissen wie den Schüssen beim Billa-Raub sind die Gefahren im Dienst wieder besonders präsent. Es ist Thema Nummer eins, die Stimmung ist in allen Inspektionen gedrückt.

„Nach so etwas nimmt man wieder mehr Bedacht auf die eigene Sicherheit“, sagt R., auch der Angriff von damals ist wieder präsenter. „Auch damals war es eine Standardsituation, die eskalierte.“ Seither achtet sie mehr auf den eigenen Schutz, unter anderem trägt sie nun im Einsatz immer eine stich- und schussfeste Unterziehschutzweste. Dass der Angriff von damals heute nur noch eine untergeordnete Rolle spielt, läge auch an den vielen Gesprächen mit Kollegen. Die Angebote des psychologischen Dienstes habe sie nicht genutzt, „aber wir sitzen auch außerhalb des Dienstes oft zusammen und reden über so etwas. Auch von anderen Inspektionen haben sich viele erkundigt, wie es mir geht – nicht nur körperlich.“


Dank ist selten. Daran, den Beruf zu wechseln, dachte sie nie, auch nicht, als ihre Mutter nach dem Angriff vorschlug, wieder zu studieren oder doch zumindest in einen anderen Bezirk zu wechseln. „Der Beruf als Polizist ist oft schwer und gefährlich, aber man darf Leben retten. Trotz allem liebe ich den Job.“ Auch nach dem Schraubenzieherangriff bedankte sich die Familie der Frau, die damals angegriffen wurde, im Gericht schließlich: R. und ihr Kollege hätten das Leben der Frau, einer werdenden Mutter, gerettet. „Diese Momente, auch wenn sie selten sind, liebe ich. Dafür zahlt sich das aus.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.07.2016)

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