Die schlummernde Weltkrise

Chinesische Marinesoldaten der Volksbefreiungsarmee patrouillieren auf einer der Spratly-Inseln. „Nansha ist unser nationales Land. Heilig und unverletzlich“, steht auf einer Steintafel eingraviert.
Chinesische Marinesoldaten der Volksbefreiungsarmee patrouillieren auf einer der Spratly-Inseln. „Nansha ist unser nationales Land. Heilig und unverletzlich“, steht auf einer Steintafel eingraviert. (c) REUTERS
  • Drucken

In Asien schwelen brisante Territorialstreitigkeiten, die sich zum Konflikt zwischen China und den USA auswachsen könnten. Am Dienstag entscheidet der Internationale Gerichtshof in Den Haag.

Südlich der subtropischen chinesischen Insel Hainan erstreckt sich entlang der Küste von Taiwan, Vietnam und den Philippinen sowie Brunei und Malaysia das Südchinesische Meer. Die darin liegenden Spratly-Inseln und die Paracel-Inseln sind der Zankapfel zwischen den Anrainerstaaten wie den Philippinen, Vietnam, Malaysia und China. China beansprucht das gesamte Südchinesische Meer für sich, baut dort sogar neue künstliche Inseln mit Militärstützpunkten und will auch den gesamten Luftraum in der Region für sich reklamieren. Vietnam, die Philippinen, Taiwan, Brunei, Malaysia, aber auch die USA akzeptieren das nicht.

Nun haben die Philippinen China vor dem UN-Arbitrage-Tribunal des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag geklagt, weil sich nach Meinung der Philippinen China das Meer in der Region widerrechtlich aneignen will. Die Philippinen haben 15 Klagen beim UN-Arbitrage-Tribunal eingereicht. Das UN-Tribunal will nun am Dienstag darüber entscheiden.

Dem Urteil kommt große Bedeutung zu. Denn die Südchinesische See ist reich an Öl- und Gasvorkommen und eine ganz wichtige internationale Schifffahrtsroute. Wer diese Meerenge mit ihren vielen kleinen, meist unbewohnten Inseln kontrolliert, kann den dortigen Schiffsverkehr und auch die Luftfahrt überwachen, was die Chinesen jetzt schon zu tun versuchen. Zudem bietet das Südchinesische Meer direkten Zugang zum Pazifik, und den will China unbedingt. Es geht bei diesem Streit also auch darum, wer den Pazifik künftig dominieren kann.

Chinesen rammen Fischerboot

Kurz vor dem Spruch des Internationalen Gerichtshofs hat Vietnam erneut schwere Vorwürfe gegen Peking erhoben: Chinesische Schiffe sollen am Samstag bei den Paracel-Inseln ein vietnamesisches Fischerboot gerammt und versenkt haben. Anschließend hätten die Chinesen sogar die Rettung der Fischer behindert, meldeten die vietnamesischen Behörden am Montag.

Die Auseinandersetzung ist aber längst nicht mehr nur regional begrenzt. Mittlerweile stehen einander auch China und die USA gegenüber. Washington unterstützt in dem Machtkampf mit Peking nicht nur die Philippinen, sondern auch den einstigen Kriegsgegner Vietnam. Das Ringen um die Vorherrschaft im Südchinesischen Meer hat damit das Potenzial, eine große internationale Krise auszulösen, in der China und die USA direkt aufeinandertreffen.

Bereits in der Vergangenheit gab es immer wieder Zwischenfälle, in die die amerikanischen und chinesischen Streitkräfte verwickelt waren. So kamen etwa im Mai zwei chinesische Jets einem US-Kampfflugzeug gefährlich nahe. Laut Pentagon wurde das US-Flugzeug von den chinesischen Maschinen bedrängt. Peking gab jedoch an, die chinesischen Piloten seien dem US-Jet nur in sicherem Abstand gefolgt. Amerikanische Flugzeuge patrouillieren immer wieder in der Nähe der von China aufgeschütteten künstlichen Inseln. Und Washington hat in den vergangenen Wochen bereits Kriegsschiffe entsandt, die um die Spratly-Inseln kreisen. Damit wollen die USA klarmachen, dass dies kein chinesisches Territorium sei.
Sollten die UN-Richter in Den Haag am Dienstag entscheiden, dass Peking Ansprüche auf das gesamte Südchinesische Meer geltend machen kann, würde China zu einer neuen maritimen Großmacht aufgewertet, die dann direkt den USA und deren Verbündeten in der Region gegenüberstünde.

Peking droht mit Luftraumschließung

Wenn die UN-Richter aber den Philippinen recht geben sollten, hat China seinen Anspruch auf den ,,Besitz“ des Südchinesischen Meeres verspielt – vorausgesetzt, Peking hält sich überhaupt an den Den Haager Richterspruch. Peking hat bereits damit gedroht, den Luftraum über dem Südchinesischen Meer zu schließen, falls das Den Haager Gericht das Gebiet nicht als chinesisches Territorium anerkennen sollte. Das könnte die Lage in der Region vollends eskalieren lassen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

China zeigt seine Machtansprüche durch regelmäßige Marine-Übungen im Südchinesischen Meer.
Außenpolitik

China droht mit Luftverteidigungszone

China macht Stimmung gegen den Entscheid des Schiedsgerichts und beharrt auf seinen Territorialanspruch im Südchinesischen Meer.
Still image from United States Navy video purportedly shows Chinese dredging vessels in the waters around Mischief Reef in the disputed Spratly Islands
Außenpolitik

Chinas verlorene „Seeschlacht“

Südchinesisches Meer. Der Ständige Schiedshof in Den Haag verneint nach einer Klage der Philippinen Hoheitsrechte der Volksrepublik in der Seeregion. Peking will den Spruch ignorieren.
PHILIPPINES-CHINA-DIPLOMACY
Außenpolitik

Rabauke Duterte streckt die Hand aus

Philippinen.Präsident Duterte will nach dem Schiedsspruch auf China zugehen. Doch der Populist agiert gegen sein Volk, das die chinesischen Ansprüche heftig ablehnt.
Außenpolitik

Flottenmanöver mit China als Konfliktdämpfer

Internationale Übung Rimpac 2016 vor US-Staat Hawaii.
Soldaten der Volkbefreiungsarmee patrouillieren.
Außenpolitik

Ein Dämpfer für Chinas Ansprüche im Südchinesischen Meer

Chinas Gebietsansprüche in dem strategisch wichtigen Gebiet sind laut dem Haager Schiedsgericht nicht gedeckt. Peking reagiert gleichgültig.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.