Philippinen.Präsident Duterte will nach dem Schiedsspruch auf China zugehen. Doch der Populist agiert gegen sein Volk, das die chinesischen Ansprüche heftig ablehnt.
Bangkok/Manila. Für die Demonstranten auf den Philippinen kommt Chinas Niederlage vor dem Ständigen Schiedshof in Den Haag nicht überraschend. Die mehr als 100 Aktivisten, die sich vor der chinesischen Botschaft in Manila versammeln und Pekings Rückzug aus den umstrittenen Gebieten im Südchinesischen Meer fordern, fühlen sich im Recht: „China, verschwinde aus dem philippinischen Meer“, steht auf einem ihrer Plakate.
Wie der geopolitische Streit ganz gewöhnliche Einwohner des südostasiatischen Landes trifft, erklärt Alexander Manzano vor der Botschaft den wartenden Journalisten. „Ich habe in dem Meer 40 Jahre lang gefischt und darf es nun plötzlich nicht mehr“, sagt er. „Die Chinesen blocken uns ab.“ 2012 übernahm Chinas Marine die Kontrolle über das Scarborough-Riff, vor dem Manzano auf Fischfang ging. Daraufhin starteten die Philippinen das Verfahren in Den Haag, aus dem sie nun als Sieger hervorgingen.
Die Regierung des Landes begrüßte die Entscheidung. Gleichzeitig rief sie in einer ersten Stellungnahme aber auch zur „Zurückhaltung und Nüchternheit“ auf. Der seit wenigen Wochen amtierende neue philippinische Präsident, Rodrigo Duterte, gibt sich in der Auseinandersetzung mit China deutlich gemäßigter als sein Vorgänger. Er will eine Konfrontation mit der asiatischen Großmacht vermeiden und setzt auf Verhandlungen. Sein Außenminister erklärte sich bereit, mit China über eine gemeinsame Nutzung des umstrittenen Seegebietes zu sprechen.
Die Strategie, auf China zuzugehen, ist für Duterte allerdings riskant: Er könnte es sich mit nationalistischen Strömungen in der Bevölkerung verscherzen, die nach dem klaren Urteil ein hartes Auftreten gegenüber Peking fordern. „Es gibt auf den Philippinen bei diesem Thema eine überwältigende Mehrheit gegen China“, kommentierte der Politologe Ramon Casiple in Manila. „Der Präsident kann sich nicht dagegenstemmen.“ Berücksichtigen muss Duterte auch die Interessen seiner Nachbarn Malaysia und Vietnam, die ebenfalls mit China um Seegebiete konkurrieren.
Die verjagten Fischer auf den Philippinen wollen selbst Tatsachen schaffen. Eine Gruppe von ihnen kündigte an, wieder zum umstrittenen Scarborough-Riff zu schippern, das Chinas Militärboote in den vergangenen Jahren abgeschirmt hatten. „Wir haben zwar etwas Angst“, sagte der Fischer Larry Alaras laut einer Lokalzeitung. Aufbrechen werde er aber trotzdem: Schließlich habe er nun die internationale Gemeinschaft an seiner Seite.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2016)