Strache: „Multikulti-Experimente gescheitert“

Heinz-Christian Strache
Heinz-Christian Strache(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache über „diesen sogenannten Putsch“ in der Türkei, eine Volksabstimmung über deren EU-Beitritt, seine Sicht auf Donald Trump und Christian Kern.

Die Presse: Nach der Aufhebung der Bundespräsidentenwahl durch den Verfassungsgerichtshof: Hätte die FPÖ da nicht auch sagen können, wir haben euch demokratiepolitisch einen Dienst erwiesen, aufgezeigt, was falsch läuft, und jetzt ziehen wir aus staatspolitischer Verantwortung unseren Kandidaten zurück, denn Alexander Van der Bellen hat die Wahl ja – offensichtlich ohne Wahlbetrug – gewonnen?

Heinz-Christian Strache: Genau das ist nicht der Fall. Denn der Verfassungsgerichtshof hat ja festgestellt, dass es aufgrund der massiven Gesetzesbrüche zu Wahlbetrug hätte kommen können. Da wurde bei den Briefwahlkarten gesetzeswidrig vorsortiert und vor der gesetzlich vorgesehenen Zeit geöffnet – ohne Wahlzeugen. In dieser Zeit wäre alles möglich gewesen.

Aber der VfGH hat festgehalten, dass es keine Hinweise auf einen Wahlbetrug gegeben hat.

Das stimmt nicht. Es ist kein Wahlbetrug nachgewiesen worden. Aber durch die Gesetzwidrigkeiten ist er möglich gewesen. Es gibt ja auch Anzeigen wegen Wahlbetrugs: einen Wahlsprengel in Vorarlberg betreffend, in dem 100 Briefwahlstimmen mit einer Handschrift ausgefüllt worden sind. Oder Angehörige, die gesagt haben, dass in Pflegeheimen die Briefwahlstimmen ihrer Eltern ohne deren Wissen ausgefüllt wurden.

Norbert Hofer hat in der „Presse“ gemeint, er sei gegen einen Austritt Österreichs aus der EU – sofern nicht die Türkei eines Tages beitrete. Danach sieht es mittlerweile aber ganz und gar nicht mehr aus. Ist der Öxit nun ganz vom Tisch?

Wir Freiheitlichen waren nie eine EU-Austrittspartei. Wir sind eine EU-kritische Kraft. Und es gibt eine inhaltliche rote Linie: Wenn aus der EU ein zentralistischer Bundesstaat wird. Oder die Türkei beitritt. Da braucht es eine Volksabstimmung.

Hat Ihnen Kanzler Christian Kern, der jetzt sagt, kein EU-Beitritt der Türkei, damit ein Thema weggenommen?

Nein. Ich freue mich, dass er endlich freiheitliche Vorschläge, für die wir von den Sozialdemokraten lang diffamiert worden sind, aufnimmt. Ich freue mich auch, dass er mich kopiert. In der „ZiB2“ hat er ja wortwörtlich ein Beispiel von mir übernommen: dass es im Hause Österreich eine Hausordnung und Regeln geben muss. Und wer sich nicht dran hält, muss gehen. Kern hat nun eben auch den Fehler des vergangenen Jahres erkannt, zu denen er als Chef der ÖBB maßgeblich beigetragen hat: nämlich die staatliche Schlepperei eines Werner Faymann mitzuunterstützen. Diese Multikulti-Experimente sind gescheitert.

Sie hatten ja jetzt ein Treffen mit Kern im Kanzleramt. Wie würden Sie denn Ihr Verhältnis zu ihm beschreiben?

Das ist eine völlige Normalität, die da stattfindet. Das gab es auch unter Werner Faymann.

Aber das Verhältnis zu Werner Faymann war schon sehr unterkühlt – vor allem im Vergleich zu dessen Vorgänger, Alfred Gusenbauer.

Es war und ist üblich, dass man sich mit den anderen Parteichefs regelmäßig trifft. Das ist eine normale parlamentarisch-demokratische Usance. Ich habe allerdings den Eindruck, dass Kern eine linksstehendere Politik als Faymann macht – mit der Maschinensteuer beispielsweise.

Zu wem haben Sie denn in der türkischen Putschnacht gehalten – zu den Putschisten oder zur regulären Regierung?

Zu gar niemandem. In Wahrheit war relativ schnell erkennbar, dass dieser sogenannte Putsch nicht nur dilettantisch abgelaufen ist, sondern man hatte fast den Eindruck, dass es ein gesteuerter Putsch war, um am Ende die Präsidialdiktatur von Erdoğan möglich zu machen. Der dann die komplette Macht an sich reißt – mit vorgefertigten Listen. Ohne einen Vergleich anstellen zu wollen: Aber wir haben solche Mechanismen in der Geschichte dramatischerweise auch anderswo erlebt – etwa beim Reichstagsbrand. Bei dem man dann in der Folge die totale Macht an sich gerissen hat. Und man hat auch jetzt den Eindruck, dass da ein bisschen eine Steuerung stattgefunden hat.

Wenn Norbert Hofer gewinnt, wird er in den ausländischen Medien in eine Reihe mit den „Autokraten“ Erdoğan, Trump, Orban gestellt werden.

Das ist aber schon an den Haaren herbeigezogen. Heute ist alles, was nicht links ist, autokratisch. Wobei man eigentlich erlebt, dass realpolitisch die Linken autokratisch agieren.

Wie stehen Sie denn zu Donald Trump?

Ich halte mich da in der Regel raus. Aber es gibt Dinge, bei denen ich sage, das unterstütze ich. Und andere, bei denen man sich an den Kopf greift. Etwa die Sache mit den Atomwaffen. Wenn das stimmen sollte, bekommt man Angst. Vielleicht war das aber auch Dirty Campaigning. Auf der anderen Seite gibt es die Aussage, dass er mit Russland keine weitere Zuspitzung will. Das ist wieder etwas Vernünftiges.

Wen würden Sie wählen, wenn Sie Amerikaner wären?

Da maße ich mir nicht an, eine Entscheidung zu treffen.

Noch einmal zu Norbert Hofer: Am Ende des bisherigen Wahlkampfs blieb bei vielen der Eindruck bestehen, dieser könnte die Möglichkeiten des Amts über die Maße ausreizen. Werden diese Sorgen nun zerstreut, oder bleibt man bei der Message?

Hofer hat immer klar definiert, welche Möglichkeit er ausschöpfen würde. Und das wurde ihm dann zum Teil falsch ausgelegt. Frau Thurnher hat etwa zu ihm gesagt: „Aber bei TTIP können Sie das gar nicht, die Unterschrift verweigern und eine Volksabstimmung ansetzen.“ Und da kam der berüchtigte Satz, der dann aus dem Zusammenhang gerissen wurde: „Sie werden sich wundern, was ich kann.“ Aber warum nicht eine Volksabstimmung? Das könnte man auch jetzt bei der Türkei machen: Fragen wir die Österreicher, ob sie die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei weiterführen wollen. Da könnte man dann auch Herrn Juncker etwas mit auf den Weg geben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2016)

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