ORF-Wahl: Was bei der Präsentation auffiel

Alexander Wrabetz durfte zuerst präsentieren.
Alexander Wrabetz durfte zuerst präsentieren.(c) Screenshot ORF TVTHEK
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Beide Kandidaten für den Posten des ORF-Generaldirektors stellten ihr Konzept vor. Herausforderer Richard Grasl bot Amtsinhaber Alexander Wrabetz einen Job an.

Die Vorgehensweise war neu: In ORF III präsentierten am Montag um 18 Uhr die beiden aussichtsreichsten Kandidaten für den Posten des ORF-Generaldirektors ihr Konzept, mit dem sie sich beworben haben. Amtsinhaber Alexander Wrabetz setzte auf Kontinuität, Herausforderer Richard Grasl zeigte Mut - nicht nur zu Veränderungen. Wer den ORF die kommenden fünf Jahre leiten wird, entscheidet sich aber nicht unmittelbar nach dieser Präsentation, das wird am Dienstag im Stiftungsrat, dem obersten Aufsichtsgremium des ORF, beschlossen. Derzeit werden Wrabetz größere Chancen auf die 18 nötigen von 35 Stimmen im Stiftungsrat ausgerechnet. Wrabetz gilt als SPÖ-nahe, Grasl als ÖVP-nahe. Durch die roten bzw. schwarzen "Freundeskreise" im obersten ORF-Gremium sind beiden 13 Stimmen sicher. FPÖ, Grüne, Neos und Team Stronach haben je einen Stiftungsrat. Der von BZÖ/FPK bestellte und von der SPÖ-geführten Landesregierung verlängerte Kärntner Stiftungsrat sowie vier Unabhängige komplettieren das Gremium. Wrabetz dürfte mehr Vertreter der Opposition und Unabhängige überzeugt haben.

Was bei der Präsentation aufgefallen ist:

Herkunft

Über die Reihenfolge der Präsentationen entschied das Los, Wrabetz begann. Der studierte Jurist, der vor seiner Kür zum ORF-General Finanzdirektor war, wirkte besonnen und reizte seine Redezeit beinahe bis zur letzten Sekunde aus. Grasl war selbst Moderator. Nach anfänglicher Nervosität (und einem angedeuteten "Guten Morgen" statt "Guten Abend") war er lockerer und souveräner, scherzte sogar - und machte deutlich früher Schluss. Nicht die berufliche, sondern die politische Herkunft der beiden Kandidaten wurde hingegen verschwiegen: Wrabetz' Engagement beim Verband Sozialistischer StudentInnen blieb unerwähnt, ebenso wie seine Wahlkampfarbeit für Josef Cap. Vielleicht weil Mitbewerber Grasl zwar als ÖVP-nahe gilt, aber nie eine offizielle Funktion in der ÖVP inne hatte und somit unabhängiger gewirkt hätte.

Seitenhieb

ORF III-Moderatorin Ani Gülgün-Mayr bat vor Beginn um die Einhaltung eines Fainess-Pakts. Keiner der Kandidaten sollte den anderen attackieren. Beim Thema der ORF-Information kritisierte Grasl seinen Noch-Chef trotzdem direkt, wenn auch nicht namentlich. Er nannte ihn "Mitbewerber". Dieser wolle die Kontrolle über die Information haben. Er selbst wisse als ehemaliger "ZiB 2"-Mitarbeiter, wie stark der Druck der Politik sein könne und wie wichtig ein "Bollwerk" dagegen sei, so Grasl. Eine Retourkutsche: vergangene Woche hatte Wrabetz öffentlich kritisiert, dass Grasl, der die Struktur als Generaldirektor umbauen will, zu viel Macht an sich reißen wolle. 

Das Jobangebot

Und dann kam der Überraschungsmoment in der sonst nicht besonders aufregenden Sendung: Kurz vor Ende seiner Präsentation machte Grasl seinem Noch-Chef ein Jobangebot: wenn er ORF-Generaldirektor werde, hoffe er, man könne weiterhin zusammenarbeiten. Ist das überheblich? Oder will er bloß, dass Wrabetz ihm ebenfalls ein Angebot macht? Oder weiß er etwas, was die anderen nicht wissen? Ein Eindruck der Präsentationen blieb jedenfalls: Hätten die beiden im vergangenen (halben) Jahr zusammengearbeitet anstatt Wahlkampf für sich zu machen, stünde der ORF heute inhaltlich und finanziell höchstwahrscheinlich besser da. Für das Image des öffentlich-rechtlichen waren die Angriffe der beiden aufeinander sicher auch nicht gerade förderlich.

Dasselbe Bild

Ganz taufrisch ist es zwar nicht mehr, den Medienwandel illustriert es trotzdem gut: die Gegenüberstellung eines Bildes vom vatikanischen Petersplatz 2005 und 2013. Auf dem jüngeren Bild sieht man hunderte Smartphone- und Tabletbildschirme. Seltsamerweise zeigte nicht nur Wrabetz (der als erster dran war) die Fotos, sondern auch Grasl. Zufall oder Absicht? Beide wollten damit die rasante Fortschritt in der Medienwelt illustrieren. Und saßen dabei doch einem kleinen Fehler auf: Das Bild aus 2005 stammt nicht von der Papst-Wahl, wie Wrabetz sagte, sondern von den Begräbnis-Feierlichkeiten beim Tod von Papst Johannes Paul II. Das hätte man recherchieren müssen. 

Inhalt

Wrabetz setzte auf Kontinuität und eher überschaubare Weichenstellungen bei den Radio- und Fernsehsendern des ORF, bei ORF Online will er ein "Hotboard" einführen. Was das ist, führte er nicht genauer aus. Er sagte häufig Worte wie "Stabilität", "traditionell" und dass man "die Stärken" des ORF ausbauen müsse, ohne zu nennen, wie das gehen soll. Dafür lobte er viel, etwa die Olympia-Berichterstattung, den Spartensender ORF III und eigentlich auch sonst alles. Alles andere würde seine Arbeit in Frage stellen. Am Ende sah er tief in die Kamera mit der Bitte um Wiederwahl. Schaut da jemand Bestimmtes zu? Grasl hingegen setzte auf Veränderung. Bei inhaltlichen Dingen und auch in der Struktur. Eine "Informationsexplosion" (nicht die ideale Wortwahl im Sommer 2016) will er zünden, "mehr Eigenproduktionen wie '"Braunschlag" und "Vorstadtweiber'". Und wer soll solche teuren Eigenproduktionen bezahlen? Hier setzte Grasl noch einmal auf seine Kompetenz als Finanzdirektor, unter dem der ORF schwarze Zahlen geschrieben hat.

Fazit

Das Hearing am Dienstag im Stiftungsrat darf - aus rechtlichen Gründen - nicht übertragen werden. Die Präsentation war eine gute Alternative. Dass keine Fragen zugelassen waren, ist aber schade. Selbst wenn beide Kandidaten auf viele hätten antworten müssen: "Tut mir leid, das ist unternehmenssensible Materie, darüber darf ich nicht reden." Auch das wäre ein Schritt in Richtung Transparenz.

(her/awa)

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