Philippinen: Dutertes Saat der Gewalt geht auf

Militärparade zu Ehren Rodrigo Dutertes
Militärparade zu Ehren Rodrigo DutertesReuters
  • Drucken

Seit dem Aufruf des umstrittenen Präsidenten Rodrigo Duterte, Drogenhändler zu töten, sind Hunderte Menschen von Polizei und Killerkommandos getötet worden.

Manila. „Hurensohn“ ist das Lieblingsschimpfwort des mit einem reichen Wortschatz an Untergriffigkeiten gesegneten philippinischen Präsidenten. Den Papst hat Rodrigo Duterte schon damit bedacht, und jüngst auch den Botschafter Washingtons in der Hauptstadt Manila, Philip Goldberg. Doch während weder der US-Vertreter noch Franziskus deshalb irgendetwas fürchten muss, kommt diese Verbalattacke im innerphilippinischen Geschehen einem Todesurteil gleich.

„Ihr Hurensöhne, ich bring euch alle um!“, drohte Duterte den Drogendealern im Land. Eineinhalb Monate nach seinem Amtsantritt gibt es niemanden mehr, der die Ankündigung nicht ernst nimmt. Hunderte vermeintliche Drogensüchtige, Rauschgifthändler und Kleinkriminelle wurden seitdem getötet, viele wurden von der Polizei erschossen, viele andere von Unbekannten ermordet, die auf den Leichen Schilder hinterließen, auf denen beispielsweise „Ich bin ein Drogendealer“ oder „Dieb“ prangte.

Die philippinischen Medien sind voll von Berichten, dass wieder irgendwo Leichen gefunden wurden, oft mit dem Verweis, es bestehe der Verdacht auf eine Verbindung ins Drogenmilieu. Die Zeitung „Philippine Daily Inquirer“ führt auf ihrer Internetseite eine Statistik, die „Kill List“, auf der sie die Morde dokumentiert. Seit dem 30. Juni, dem Amtsantritt Dutertes, hat sie 603 Fälle verzeichnet. Es gibt Schätzungen, wonach die tatsächliche Zahl der Opfer bei über 1000 liegen könnte.

600.000 stellten sich freiwillig

Bei seinem Amtsantritt hat der umstrittene Präsident den Krieg gegen die Drogenbosse ausgerufen und den Freibrief zur Lynchjustiz gleich mitausgestellt: Wer einen Abhängigen sehe, solle nicht zögern und ihn töten, forderte er sein Volk auf. Die Polizei rechtfertigt die hohe Opferzahl ihrer angeblichen Antidrogeneinsätze stets mit Selbstverteidigung: Der oder die Betroffene habe sich der Festnahme widersetzt oder geschossen. Zu befürchten haben die Beamten unter Duterte ohnehin nichts: Er hat ihnen explizit Straffreiheit zugesichert.

Wer auf einer der lokalen Listen der Behörden steht, auf denen Personen mit angeblichen Verbindungen zum Drogenmilieu geführt werden, muss um sein Leben fürchten. Aus Angst haben sich laut dem philippinischen Polizeichef, Ronald Dela Rosa, bisher rund 600.000 vermeintliche Drogensüchtige und -händler freiwillig den Behörden gestellt. Auch hochrangige Beamte sind dabei: Am Wochenende hatte der Präsident höchstpersönlich eine Liste verlesen, von mehr als 160 Richtern, Politikern, Polizisten und Militärs mit angeblichen Beziehungen zur Drogenmafia. Eine weitere Liste mit „Narko-Politikern“, wie es hieß, werde Duterte bald bekannt geben. Selbst die Todesstrafe will der Präsident wieder einführen. Prominente Unterstützung bekommt dabei von Emmanuel (Manny) Pacquiao, Boxweltmeister in sieben Gewichtsklassen und inzwischen Senator. Pacquiao hat bereits Gesetzesentwürfe präsentiert, damit der Staat Verbrecher künftig hängen kann – allen voran natürlich Drogendealer.

Menschenrechtsorganisationen schlagen angesichts der staatlich sanktionierten Menschenjagd Alarm. Vor Tagen appellierten mehr als 300 NGOs in einem Brief an zwei in Wien ansässige Institutionen, gegen den Drogenkrieg Dutertes klar Stellung zu beziehen: Das UN-Drogenbüro UNODC und der Internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB) müssten dem philippinischen Präsidenten klarmachen, „dass die Welle an Tötungen von vermuteten Drogenhändlern und -süchtigen nicht zulässige Verbrechenskontrolle darstellt, sondern ein Scheitern der Regierung, die grundlegenden Menschenrechte zu schützen“, wie Human Rights Watch erklärte.

UNODC in Wien ist „sehr besorgt“

UNODC-Chef Yury Fedotow zeigte sich daraufhin „sehr besorgt“ über die Berichte von außergerichtlichen Tötungen und schloss sich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon an, der den offensichtlichen Aufruf zur Selbstjustiz schon zwei Wochen nach Dutertes Amtsantritt in einem hilflosen Statement als illegal verurteilt hatte. Ähnlich reagierte der INCB.

Davon dürfte sich Duterte jedoch wenig beeindrucken lassen. Die Vereinten Nationen bedachte er mit den Worten „Fuck you“. Und vor Wochen schon hat er angekündigt, er werde „mit dem Ruf eines Idi Amin“ aus dem Amt scheiden. Der brutalen Gewaltherrschaft des einstigen Diktators von Uganda fielen in den 1970er-Jahren zwischen 300.000 und 400.000 Menschen zum Opfer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wo geht die Reise hin? Der philippinische Präsident Rodrigo Duterte
Außenpolitik

Philippinischer Präsident liebäugelt mit UN-Austritt

Dass die UNO die brutalen Methoden der Sicherheitskräfte kritisiert, stößt dem neuen Staatschef sauer auf.
US-Botschafter Philip Goldberg, US-Außenminister John Kerry und der philippinische Präsident Rodrigo Duterte verstehen sich nicht gerade blendend.
Außenpolitik

Philippinischer Präsident nennt US-Botschafter "Hurensohn"

Rodrigo Duterte bleibt seiner pikanten Wortwahl treu und handelt sich diplomatischen Konflikt ein. Auch sein gewalttätiger Kampf gegen Drogendealer stößt auf Kritik.
PHILIPPINES-CHINA-DIPLOMACY
Außenpolitik

Rabauke Duterte streckt die Hand aus

Philippinen.Präsident Duterte will nach dem Schiedsspruch auf China zugehen. Doch der Populist agiert gegen sein Volk, das die chinesischen Ansprüche heftig ablehnt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.