Koalition sucht Befreiungsschlag

Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.
Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner.(c) APA/ROLAD SCHLAGER
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SPÖ und ÖVP wollen Reformblockade im Herbst durchbrechen. Eine Regierungsklausur soll den Schluss bilden. Es geht um konkrete Projekte, speziell für Wirtschaft, Jobs – und flexible Arbeitszeit.

Wien. Sie sind schon im Mai bei der ersten regulären Ministerratssitzung nach der Amtsübernahme von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern eingesetzt worden. Fünf Arbeitsgruppen sollen konkrete Vorhaben aushandeln, damit die rot-schwarze Bundesregierung ihre Handlungsfähigkeit und Reformbereitschaft unter Beweis stellt. Es geht dabei um Wirtschaft und Arbeitsmarkt, Bildung, den zuletzt ohnehin intensiv diskutierten Bereich Sicherheit und Integration, Deregulierung und Verwaltungsvereinfachung sowie Forschung und Technologie. Die Vorgabe lautet: konkrete umsetzbare Projekte auf die Beine zu stellen.

Die Arbeitsgruppen haben den Auftrag, „bis Ende des Sommers“ Ergebnisse zu liefern. Nach verlässlichen „Presse“-Informationen ist dazu für den Herbst auch eine Regierungsklausur fix vorgesehen. Das will die Koalition allerdings nicht an die große Glocke hängen, um den Erwartungsdruck nicht vorzeitig zu erhöhen. Für Kern steht mit der Umsetzung auch seine Zusage zum Amtsantritt über einen New Deal auf dem Prüfstand.

► Wirtschaft und Arbeitsplätze. Ein zentrales Thema für Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, nicht zuletzt vor dem Hintergrund von mehr als 400.000 Arbeitslosen in Österreich im Sommer und eines Drucks von Wirtschaft und Industrie für Entlastungen. Die Bedeutung dieser Arbeitsgruppe zeigt sich auch darin, dass von SPÖ und ÖVP jeweils zwei Regierungsmitglieder dafür abgestellt wurden: Regierungskoordinator Thomas Droszda und Sozialminister Alois Stöger auf SPÖ-Seite, Finanzminister Hans Jörg Schelling und Regierungskoordinator Staatssekretär Harald Mahrer auf ÖVP-Seite.

Mit auf dem Verhandlungstisch liegt die Frage flexibler Arbeitszeiten (Stichwort: Möglichkeit des Zwölf-Stunden-Tags, um Auslastungsspitzen der Betriebe abzufangen). Vizekanzler Mitterlehner ist an einem Kompromiss interessiert. Dafür muss allerdings auch ein Ausweg für die SPÖ-ÖGB-Forderung nach einer sechsten Urlaubswoche für alle nach 25 Arbeitsjahren gefunden werden.

► Deregulierung/Entbürokratisierung. Prestigeprojekt ist die völlige Überarbeitung der heftig kritisierten Gewerbeordnung. Erklärtes Ziel ist es, vor allem vielen Miniunternehmen den Einstieg in die Selbstständigkeit zu erleichtern.

► Forschung und Technologie. Die Unterstützung von Start-ups wurde von der Regierung schon mit konkreten Maßnahmen vorgezogen. In Diskussion ist unter anderem weiters, die Unternehmen mit Investitionsprämien verstärkt zu animieren.

► Sicherheit und Integration. Dieses Thema und die Bewältigung des Flüchtlingszustroms nach Österreich dominieren öffentlich bereits den ganzen Sommer die innenpolitische Diskussion. Weitere Verschärfungen des Asylrechts und die Begrenzung der Zahl der Asylwerber – Stichwort Notverordnung – halten die Bundesregierung auf Trab (siehe Seite 8). SPÖ und ÖVP haben mit zusätzlichem Personal vor allem bei der Exekutive und mehr Geld für die Integration (Schulen, Deutschkurse, Arbeitsmarkt) bereits eine Vorleistung erbracht.

Bildung. Noch vor dem Sommer hat die Koalition gesetzliche Regelungen zur Stärkung der Autonomie im Schulwesen beschlossen. Vereinbart ist weiters, dass bis zu 750 Millionen Euro in die Ganztagsbetreuung fließen. Aber große Teile der Grundsatzeinigung zur Bildung vom 17. November 2015 sind überfällig. Dazu zählt vor allem die Frage der Kompetenzen über die Lehrer zwischen Bund und Ländern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2016)

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