Der sozialistische Ex-Minister Arnaud Montebourg kündigt seine Präsidentschaftskandidatur an. Am Amtsinhaber lässt der Linkspopulist kein gutes Haar.
Paris. Er könne François Hollande für eine Wiederwahl schlicht nicht (mehr) unterstützen. Der frühere sozialistische Minister Arnaud Montebourg will nun selbst bei den französischen Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2017 kandidieren. Ob er auf die Nominierung durch seine Partei bei den auf Jänner angesetzten Vorwahlen hofft oder auch ohne den offiziellen Segen der Sozialisten antreten will, ließ Montebourg vorerst offen.
Die Attacken des 53-Jährigen auf die Regierungspolitik seiner Parteikollegen, Präsident Hollande, Premierminister Manuel Valls und Wirtschaftsminister Manuel Macron, lassen hingegen nichts an Deutlichkeit zu wünschen übrig. Mit seiner Kritik, die einem totalen Verriss gleichkommt, demontiert Montebourg zusätzlich die bereits zerstrittene Regierungspartei und vor allem das schwer lädierte Image des Staatschefs, der selbst zum Jahresende sagen will, ob er nochmals zu kandidieren gedenkt.
Montebourg machte schon immer gern Schlagzeilen. In der Schweiz fiel er vor allem 2007 mit einer vehementen Attacke auf das Bankgeheimnis und Steuerflüchtlinge auf. Damals war er Sprecher der sozialistischen Präsidentschaftskandidatin, Ségolène Royal, von der er hämisch meinte, ihr einziger Fehler sei ihr Partner – und das war in jener Zeit François Hollande. Trotz solcher persönlicher Animositäten holte der frisch gewählte Präsident Hollande den Vertreter des linken Flügels im Parti Socialiste als Staatssekretär für die Industrieförderung und danach als Wirtschaftsminister in die Regierung.
EU-Sparpolitik als „Diktat“ bezeichnet
Montebourg verstand dies vor allem als Verteidigung des einheimischen Schaffens. Den Franzosen bleibt aus dieser Zeit ein Foto in Erinnerung, auf dem er werbeträchtig ein gestreiftes Seemannsleibchen der bretonischen Textilfirma Armor Lux trägt. Vielleicht ging es dem Minister ebenso um sein Image wie um das Überleben der französischen Industrie. In seinem Kampf für nationale Wirtschaftsinteressen griff er auch die deutsche Währungs- und EU-Politik scharf an, was ihm einen Tadel des Staatschefs eintrug. Doch Montebourg ist nicht von der Art, sich den Mund verbieten zu lassen. Die Differenzen zum Regierungskurs wurden immer deutlicher. Montebourg lehnte die europäische Spar- und Haushaltspolitik als „Diktat“ genauso ab wie die von Hollande eingeleiteten liberalen Reformen. Stattdessen schlug er eine eher protektionistische Politik vor. So wurde sein Ausscheiden aus der Regierung im August 2014 unvermeidlich.
Seither bewegte er sich am Rande seiner Partei als politischer Heckenschütze. Hauptamtlich beschäftigte er sich als Unternehmensberater beim Möbelkonzern Habitat. Niemandem aber konnte es entgehen, dass er nur auf die Gelegenheit für ein Comeback wartete, um sich als Alternative zu Hollande, Valls und Macron anzubieten. Diesen Zeitpunkt sieht er jetzt angesichts der Unpopularität von Hollande für gekommen.
Das Programm, das er für seine Kandidatur am Sonntag bei seinem jährlichen Auftritt im burgundischen Frangy-en-Bresse skizziert hat, entspricht seiner Linie einer auf Staatsinterventionismus und nationaler Wirtschaftsförderung basierenden Politik.
Sarkozy gibt Kandidatur bekannt
Montebourg fordert dazu die (vorübergehende) Verstaatlichung von Großbanken, er schlägt auch die Wiedereinführung einer sechsmonatigen militärischen Dienstpflicht für Männer und Frauen vor. Steuererhöhungen für mittlere und bescheidene Einkommen will er zurücknehmen Dass Montebourg dabei die Defizitregeln der EU verletzen könnte, stört ihn nicht. Um die französische Wirtschaft zu retten, bezahle er lieber der EU Bußen, meinte er. Montebourg zählt aber nicht nur auf seine politischen Trümpfe, sondern ebenso sehr auf sein Image. Der 53-Jährige möchte eine neue Generation verkörpern. Ob das für die Wähler ausreicht, ist eine andere Frage. Vorerst wird in den nächsten Monaten sowohl im linken wie im bürgerlichen Lager noch ausgemacht, wer als chancenreichster Bewerber wirklich ins Rennen steigen soll.
Für die konservative Opposition gelten Ex-Premier Alain Juppé und Ex-Präsident Nicolas Sarkozy als Favoriten. Sarkozy gab seine Kandidatur am Montag offiziell bekannt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2016)