China muss sich sein Wachstum teuer erkaufen

A security guard is deployed at the venue of the G20 Summit in Hangzhou
A security guard is deployed at the venue of the G20 Summit in Hangzhou(c) REUTERS (DAMIR SAGOLJ)
  • Drucken

Die globale Wirtschaft steuere auf einen neuerlichen Schwächeanfall zu, warnt der IWF. China konnte seinen angesagten Absturz zwar abwenden, musste dafür aber tief in die Tasche greifen. Investitionen kommen fast nur noch vom Staat; die Gefahr, dass die Blase platzt, bleibt groß.

Wien. Die Staatschefs der zwanzig größten Industrienationen sollen geblendet sein, wenn sie ins chinesische Hangzhou einmarschieren. Geblendet von sechsspurigen Autobahnen, Messezentren, Luxushotels und U-Bahnen, die Peking in den vergangenen Monaten für zig Milliarden Euro aus dem Boden hat stampfen lassen. Und das nur, um zwei Dinge zu erreichen: Die Welt davon abzulenken, dass Chinas Wachstum immer noch auf tönernen Beinen steht. Und zu demonstrieren, wie sich Peking die Antwort auf die globale Wachstumsschwäche vorstellt.

Denn auch im achten Jahr nach dem Zusammenbruch der Lehman Brothers kommen die größten Volkswirtschaften der Welt nicht vom Fleck. Der IWF warnt vor einem Schwächeanfall der Weltwirtschaft. Die Vorboten: sinkender Handel, wenig Investitionen und eine extrem niedrige Inflation. Die Chancen, dass IWF-Chefin Christine Lagarde ihre Prognose für heuer zum zweiten Mal in wenigen Monaten nach unten korrigieren lässt, sind groß. Erst nach dem Brexit-Votum hat der IWF seine globale Wachstumserwartung auf 3,1 Prozent gesenkt. Die westliche Taktik, die Wirtschaft mit immer mehr billigem Notenbankgeld zu retten, geht nicht auf.

Peking konnte seinen prophezeiten Absturz hingegen abwenden. Die chinesische Wirtschaft wuchs zuletzt immerhin um 6,7 Prozent. Pekings Patentrezept ist simpel: Erst bauen, dann denken. Die chinesische Regierung hat ihre Investitionen allein im Juni um ein Fünftel nach oben geschraubt – und so die Wirtschaft im Alleingang in Schwung gehalten. Mit einem Budgetdefizit von drei Prozent des BIPs und den weltgrößten Devisenreserven, kann das zumindest kurzfristig ein probates Mittel sein.

Milliarden Euro für Geisterstädte

Ob es auch als Blaupause für die westliche Welt dient, ist allerdings zweifelhaft. So ist es zwar sinnvoll, wenn China Eisenbahnschienen und Glasfaserkabel legt, um große Städte zu verbinden und die Produktivität zu steigern. Doch in hoch entwickelten Ländern sind derartige Bauprojekte meist schwerer umzusetzen und bringen oft weniger Nutzen. Hinzu kommt, dass die öffentlichen Schuldenstände in Europa und den USA ein derartiges Stakkato an Bauprojekten nicht ohne Weiteres erlauben.

Aber auch China kennt die Kehrseite seiner Strategie. Über das ganze Land verteilt stehen Geisterstädte, verfallene Olympia-Stadien und junge Industrieruinen, die gebaut und dann eben doch nicht – oder nur wenige Tage – gebraucht wurden.

Auf Dauer kann es sich auch Peking nicht leisten, alleinverantwortlich für das Wirtschaftswachstum zu sein. Noch vor fünf Jahren stellten private Unternehmen 40Prozent der Investitionen im Land. Im ersten Halbjahr 2016 sank dieser Wert auf 2,8 Prozent. Die privaten Firmen sehen die Zukunft skeptisch und horten lieber ihr Geld. Das alarmiert Investoren und Politiker gleichermaßen. Schließlich sind acht von zehn chinesischen Arbeitnehmern im privaten Sektor beschäftigt. Zugleich setzt der staatlich verordnete Bauboom den beauftragten Staatsunternehmen zu. Ihre Schulden schossen in den vergangenen Monaten durch die Decke.

Die Regierung kann nun zwar weiter Geld ausgeben, um die Firmen vor dem Schuldenkollaps zu bewahren. Sie steht gleichzeitig aber auch unter Druck, den angesagten Umbau der chinesischen Wirtschaft voranzutreiben. Hunderte Fabriken sollen geschlossen werden, um die massive Überproduktion zu drosseln. Die Finanzwirtschaft muss einen Berg an faulen Krediten abarbeiten, der im Kreditboom nach der Krise angehäuft wurde. „Die langfristige Diagnose für China ist nicht gut“, sagte der Ökonom Paul Krugman kürzlich in Singapur. Er glaubt weiterhin an das Platzen der China-Blase. „Nicht nachhaltige Situationen können länger andauern, als man denkt, und viel schneller enden, als man denkt. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass das Chinas Schicksal ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Barack Obama und Xi Jinping
Außenpolitik

"Holpriger" G-20-Gipfel: Streit zwischen China und USA

Die Streitthemen waren breit gesät: vom Inselstreit über die Stationierung eines US-Raketenabwehrsystems in Südkorea bis zu den Menschenrechten.
Außenpolitik

Beim G-20-Gipfel überlässt China nichts dem Zufall

Im ostchinesischen Hangzhou hat das G-20-Treffen begonnen. Viele Staats-und Regierungschefs fuhren in "Roter Fahne" vor. Für einen blauen Himmel wurden Fabriken geschlossen.
Smog in Bozhou
Weltjournal

China und USA: Vom Klima-Saulus zum Klima-Paulus

Ausgerechnet die beiden Klimasünder China und USA preschen bei der Ratifizierung des Pariser Abkommens vor.
Chinese soldiers take pictures as leaders arrive for G20 Summit in Hangzhou
Außenpolitik

Wie China auf Europa blickt

Pekings KP-Führung bewertet die Krisen der EU als Zeichen für den Niedergang des Westens und die eigene Überlegenheit. Entsprechend selbstbewusst wird China beim G20-Gipfel in Hangzhou auftreten.
CHINA-LAOS-DIPLOMACY-G20
Außenpolitik

G20: Ein Gipfel, aber zwei verschiedene Ziele

China will den Gipfel für neue Impulse für die Weltwirtschaft nutzen. Die westlichen Länder wollen lieber politische Brandherde löschen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.