Der Plan zur Grenzschließung

Police perform border control at the Austrian-Hungarian border in Nickelsdorf
Police perform border control at the Austrian-Hungarian border in Nickelsdorf(c) REUTERS (HEINZ-PETER BADER)
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Lang hat die Regierung daran gefeilt, jetzt steht der Entwurf zur Notverordnung. Doch was bringt sie, und kommt sie überhaupt?

Wien. Lang hat die Regierung daran gefeilt, nun liegt sie als Entwurf vor: die Notverordnung, mit der man das Asylrecht weitgehend außer Kraft setzen will. Sie geht nun in Begutachtung und soll verhindern, dass heuer die Zahl von 37.500 Asylverfahren überschritten wird. Beschlossen werden müsste die Verordnung von der Regierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrats.

Während Kanzler Christian Kern meint, dass man die Notverordnung heuer wegen der Asylverfahren (Stand: zuletzt rund 25.000) nicht wird in Kraft setzen müssen, rechnet ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka damit, dass dies sehr wohl nötig sein wird. Kritik an der Notverordnung kommt von Amnesty, das „ein neues Idomeni in Nickelsdorf“ fürchtet. Doch worum geht es eigentlich? Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

1 Wie kam es zur Notverordnung, und welche Folgen hat sie für das Asylwesen?

Nachdem im Vorjahr eine Rekordzahl an Flüchtlingen nach Österreich gekommen war, beschloss die Koalition im heurigen Frühjahr, das Asylgesetz zu novellieren. Dadurch ist es möglich, per Verordnung einen Notstand auszurufen. Sobald dies erfolgt ist, können Asylanträge nur mehr im grenznahen Gebiet gestellt werden. Wer schon im Landesinneren ist, wird wieder an die Grenze zurückgebracht. Schnellverfahren werden möglich. Ein Asylantrag wird nur mehr ausnahmsweise zugelassen, und zwar dann, wenn bestimmte Menschenrechte in Gefahr sind: etwa das Recht auf Leben oder der Schutz vor unmenschlicher Behandlung. Beides haben Personen, die aus einem Nachbarland nach Österreich kommen, aber laut Innenministerium nicht zu fürchten. In der Praxis relevant bliebe damit nur die drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens. Das heißt: Nur, wer schon Verwandte in Österreich hat, bekäme ein Asylverfahren.

Nicht im Gesetz steht, ab wie vielen Flüchtlingen ein Notstand vorliegt. Die Regierung einigte sich aber intern für heuer auf die Zahl von 37.500 neuen Asylverfahren.

2 Ab wann tritt die Verordnung in Kraft, und wie lang soll sie gelten?

Hier ist sich die Regierung noch nicht einig. Kanzler Christian Kern (SPÖ) will die Grenzen erst dicht machen, sobald die Obergrenze erreicht wird. Laut Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) soll die Verordnung früher erlassen werden, damit die Obergrenze nicht überschritten wird. Wie lang sie gelten soll, wissen SPÖ und ÖVP ebenfalls nicht. Theoretisch wird sie für maximal sechs Monate in Kraft treten, wobei sie dreimal verlängert werden kann – jeweils für ein halbes Jahr. Nun ist der Entwurf vier Wochen in Begutachtung. Bevor die Verordnung erlassen wird, muss sie nochmals vom Ministerrat sowie vom Hauptausschuss im Parlament abgesegnet werden.

3 Wie begründet man die Notverordnung, und warum ist die genaue Begründung so wichtig?

Eigentlich fällt die Asylpolitik in das Aufgabengebiet der EU. Ein Staat darf nur dann eingreifen, wenn die öffentliche Ordnung oder innere Sicherheit gefährdet ist. Und genau das muss Österreich darlegen, um zu verhindern, dass die Verordnung nicht vom Europäischen Gerichtshof gekippt wird.

In den Erläuterungen zur Verordnung verweist die Regierung auf die Belastungen für den Arbeitsmarkt durch die Migranten, auf Versorgungsprobleme beim Wohnraum oder auf die Straftaten, die von Asylwerbern verübt werden. So ergebe ein Vergleich der letzten Quartale von 2014 und 2015 „eine Zunahme von 1098 von Asylwerbern verübten Straftaten, darunter nicht nur Diebstähle, Körperverletzungsdelikte und Suchgiftbesitz und -konsum, sondern auch Vergewaltigungen und ein Mord“. Auch auf drohende Engpässe in der Gesundheitsversorgung oder im Schulbereich wird hingewiesen. Die budgetäre Belastung durch Asylwerber (heuer zwei Milliarden Euro) wird ebenso angeführt.

4 Welche Hürden gibt es bei der praktischen Umsetzung?

Es hakt an der praktischen Umsetzung: Derzeit ist noch unklar, wie viele Registrierstellen es geben soll, in denen die Schnellverfahren durchgeführt werden. Offen ist auch noch die Frage, was mit den Menschen passiert, die Österreich an der Grenze abweist. Möglich sind Patrouillen auf ungarischem Gebiet, damit sie gar nicht erst im Grenzgebiet stranden können. Außerdem gibt es rechtliche Bedenken (siehe Punkt 3), ob die Verordnung einer Prüfung des EuGH standhält.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2016)

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