Leopoldstadt: Warum die neue Chefin kürzer regiert

WIEDERHOLUNG DER BEZIRKSVERTRETUNGSWAHL WIEN-LEOPOLDSTADT: LICHTENEGGER
WIEDERHOLUNG DER BEZIRKSVERTRETUNGSWAHL WIEN-LEOPOLDSTADT: LICHTENEGGER(c) APA/HERBERT P. OCZERET
  • Drucken

Selten stand eine Bezirksvertretungswahl so im Fokus wie jene im zweiten Bezirk. Was man aus ihr herauslesen kann − und was nicht.

Wien. Seit Montag steht das Ergebnis der Wahl im zweiten Bezirk inklusive Wahlkarten fest. Die Grünen kamen auf 35,34 Prozent, die SPÖ erreichte 28,06 Prozent, die FPÖ 22,47 Prozent, die ÖVP 6,01 Prozent, die Neos 5,06 Prozent und Wien Anders auf 2,32 Prozent.
3170 Wahlkarten für die Wiederholung der Bezirksvertretungswahl in Wien Leopoldstadt waren schadhaft. 2371 Wahlberechtigte haben das Angebot angenommen, die Wahlkarte auszutauschen. In Summe wurden 7422 Wahlkarten ausgestellt, wobei wobei die 799 nicht ausgetauschten hier nicht eingerechnet sind.


Was aber bleibt – abgesehen vom Klebstoff-Gate und dem SPÖ-Debakel (siehe oben stehender Artikel) – von dieser Wahl? Fünf Fragen – samt Antworten:

1. Findet die Wahl der Bezirksvertretung in der Leopoldstadt künftig immer extra, also getrennt von den Gemeinderatswahlen, statt?

Nein – und das, obwohl die Legislaturperiode im Bezirk fast ein Jahr später startet. Die Gemeindewahlordnung (§1, Abs. 3) sieht laut Magistratsdirektion nämlich vor, dass sich der Wahltermin in den Bezirken generell nach dem für den Gemeinderat richtet. Die grüne Bezirksvorsteherin im Zweiten, Uschi Lichtenegger, wird also etwas kürzer regieren.

2. Wiederholung, Probleme mit Kuverts: Sagt die extrem niedrige Wahlbeteiligung in der Leopoldstadt etwas über jene bei der Bundespräsidentschaftswahl aus?

Christoph Hofinger, Direktor des Sora-Instituts, glaubt nicht an einen Trend zur Wahlenthaltung. Vielmehr habe in der Leopoldstadt einfach die Mobilisierung durch die sonst zeitgleich stattfindenden Gemeinderatswahl gefehlt. Im Übrigen war der Rückgang direkt an der Wahlurne größer als bei der Briefwahl. Für die Bundespräsidenschaftswahl erwartet Hofinger eine ähnliche Beteiligung wie im Mai.

3. Bedeutet der Sieg eine Trendwende für die Grünen in ganz Wien?

Zur Erinnerung: Bei den beiden vergangenen Gemeinderatswahlen haben die Grünen leicht verloren. Als Trendwende taugt die Leopoldstadt aber nur bedingt. Tatsache ist, dass die Grünen der SPÖ deren eigene Medizin verabreicht haben. Statt einem rot-blauen wurde diesmal ein grün-blaues Duell ausgerufen. Samt gewünschtem Mobilisierungseffekt. Die SPÖ war nur Zuschauer. Aber sie kennt das bereits: von der Präsidentschaftswahl.

4. Warum verlor die FPÖ das angekündigte Match mit den Grünen klar?

Wer Wahlen anficht, sammelt keine Sympathiepunkte? Klingt logisch, stimmt aber so nicht – siehe Bürgermeisterwahlwiederholungen in Vorarlberg. Den Ausschlag gab eher das „Alle gegen die FPÖ“-Momentum (siehe Frage 3), das diesmal die Grünen nutzen konnten.

5. Was bedeutete der Stimmungstest für die Neos – und für die ÖVP neu, unter Gernot Blümel?

Es wird ein langer Weg für Gernot Blümel. Bei der ersten Standortbestimmung nach dem Debakel bei der Wien-Wahl 2015 verlor die Wiener ÖVP unter ihrem neuen Parteichef in der Leopoldstadt 0,8 Prozentpunkte und kam auf magere 6,3 Prozent. Damit ist für Blümel noch keine Trendwende in Sicht – im Gegenteil. Allerdings könnten die Neos für die Wiener ÖVP ein kleineres Problem werden als ursprünglich angenommen – nachdem sie bei der Wahlwiederholung 0,2 Prozent verloren und auf 5,5 Prozent kamen, obwohl sie eigentlich die ÖVP überholen wollten. Das bedeutet für Neos-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger, die sich mit Spitzenkandidaten Christian Moritz groß plakatieren ließ: Das Werbe-Etikett „neu“ der auffallend unauffällig agierenden Neos scheint zu verblassen. (uw/stu)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wiener Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger
Wien

Leopoldstadt: Neos fechten Wahl nicht an

Die Neos halten an Kritik, dass der Urnengang trotz schadhafter Wahlkarten nicht verschoben wurde, fest. Vor den VfGH ziehen sie aber nicht.
''Was ist das für 1 Schlamperei'' plakatieren die Neos in der Leopoldstadt
Wien

Wahlanfechtung? Neos "noch in Phase der Meinungsbildung"

Bisher ist nach der Leopoldstadt-Wahl nur eine VfGH-Anrufung durch die EU-Austrittspartei fix. Die Angelobung der neuen grünen Bezirksvorsteherin wird jedenfalls nicht verschoben.
Archivbild
Wien

Leopoldstadt: Gute Chance für Wahlanfechtung

Wiederholung der Wiederholung? Die Bezirkswahl in der Leopoldstadt wird wieder angefochten. Laut den Verfassungsrechtlern Theo Öhlinger und Bernd-Christian Funk müsste auch diese Wahl aufgehoben werden.
Archivbild: Der Stimmzettel für die leopoldstadtwahl
Wien

Ergebnis der Leopoldstadt-Wahl beeinsprucht

Die EU-Austrittspartei, die 0,3 Prozent erreichte, hat sich mit Kritik an die Stadtwahlbehörde gewandt. Auch eine neue Anfechtung vor dem VfGH dürfte ins Haus stehen.
WIEDERHOLUNG DER BEZIRKSVERTRETUNGSWAHL WIEN-LEOPOLDSTADT: LICHTENEGGER
Wien

Eine Grüne, die nun "auch mit FPÖ reden" will

Uschi Lichtenegger, die überraschend die rote Bastion Leopoldstadt erobert hat, sucht nun Allianzen mit allen Parteien und wird auf Landesebene künftig eine größere Rolle spielen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.