Nach der Niederlage vom Sonntag in der Leopoldstadt verlangt Rathaus-Vizeklubchef Nevrivy ein Eingreifen des Wiener Bürgermeisters und eine inhaltliche Richtungsänderung der SPÖ.
Wien. Es gärt in der mächtigsten roten Landespartei Österreichs, also der Wiener SPÖ unter Bürgermeister Michael Häupl. Und der Frust bricht sich Bahn, wodurch alte Gräben wieder aufbrechen. Gräben, die mit der Demontage von Werner Faymann samt Inthronisierung von Christian Kern als SPÖ-Bundeschef und Bundeskanzler (zumindest nach außen hin) zugeschüttet schienen. Es geht wieder um das Match Außen- gegen Innenbezirke, Befürworter einer härteren Linie bei Asyl- und Zuwanderungsfragen gegen die Willkommensfraktion.
Der Auslöser der SPÖ-internen Turbulenzen ist die – vom Verfassungsgerichtshof angeordnete – Wiederholung der Bezirkswahl in Wien-Leopoldstadt am Sonntag: Die Partei von Michael Häupl schlitterte in ein Debakel, verlor mehr als zehn Prozentpunkte und völlig unerwartet den prestigeträchtigen Posten des Bezirksvorstehers – und zwar an den grünen Koalitionspartner, der ebenfalls völlig überraschend um fast zwölf Prozentpunkte zulegen konnte. Häupl bezeichnete das Ergebnis am Montag wörtlich als katastrophal und ortete Mobilisierungsprobleme – bei der ersten Wahl der Kern-Ära.
„Das geht nach hinten los“
Knapp davor hatte der Floridsdorfer SPÖ-Bezirksvorsteher Georg Papai bereits auf Facebook seinem Ärger Luft gemacht: „Es zeigt, dass die ,Boboisierung‘ nach hinten losgeht.“ Und: „Wir müssen viel stärker wieder Politik für die ,kleinen Leute‘ machen und die rot-blaue Zielgruppe zurückerobern (ohne die FPÖ rechts zu überholen).“ Gegenüber der „Presse“ ergänzte Papai: Die SPÖ müsse strategisch auch die rot-blauen Wähler wahrnehmen. Und sich nicht nur auf die rot-grüne Zielgruppe – in den Innenbezirken – konzentrieren: „Das rot-grüne Match haben wir verloren. Das muss allen klar sein.“
Papai ist mit seiner Meinung nicht allein. Ernst Nevrivy, SPÖ-Bezirksvorsteher der Donaustadt (eine der größten SPÖ-Bezirksorganisationen Österreichs) fordert ebenfalls Konsequenzen: „Es muss sich etwas ändern. Denn so kann es nicht weitergehen“, sagt Nevrivy, der das rote Engagement für Alexander Van der Bellen im Präsidentschaftswahlkampf kritisiert und auch für das Ergebnis in der Leopoldstadt verantwortlich macht: „Wenn wochenlang in der SPÖ kommuniziert wird: Alle sollen Grün wählen. Dann darf man sich nicht wundern, wenn die Leute das machen. Bei allen Wahlen.“ Nachsatz: Es sei falsch, Ex-SPÖ-Bezirkschef Karlheinz Hora für die Niederlage verantwortlich zu machen: „Dass er innerhalb von wenigen Monaten mehr als zehn Prozentpunkte aus eigenem Verschulden verliert, ist ausgeschlossen“, so Nevrivy – was als Anspielung auf die Auswirkungen der Willkommenskultur interpretiert werden könnte; nachdem sich die Stimmung in der Bevölkerung nach Köln und diversen Vorfällen in Wien massiv ins Negative gedreht hat.
„Brauchen richtige Politik“
Die Wiener SPÖ müsse deshalb wieder „die richtigen Ziele“ kommunizieren, fordert Nevrivy, der auch SPÖ-Vize-Klubchef ist, in Anspielung an den parteiinternen Richtungsstreit. Hier stehen die bevölkerungsreichen Außenbezirke, die im Kampf gegen die FPÖ eine striktere Asyl- und Zuwanderungspolitik fordern, den urbanen Innenstadtbezirken gegenüber. Also jenen Bezirken, in denen die Vertreter der Willkommenspolitik rund um Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely, die auch Parteichefin der SPÖ in der Leopoldstadt ist, beheimatet sind: „Wir brauchen die richtige Politik“, fordert Nevrivy ein Machtwort von Michael Häupl: „Es gibt oft unterschiedliche Positionen. Und dafür haben wir einen Parteivorsitzenden, der dafür sorgen muss, dass die Partei eine Linie hat – in der sich auch die Außenbezirke wiederfinden.“
Mit Befremden wird in Teilen der SPÖ vor allem der Jubel von betont grün-affinen SPÖ-Politikern über den Sieg der Grünen in der Leopoldstadt aufgenommen. „Wenn die SPÖ einen Bezirk verliert und damit die Möglichkeit zu gestalten, kann das bei mir keine Freude auslösen“, so Papai.
Wobei auch manch ähnlicher Facebook-Eintrag für Ärger sorgt. „Manche sind offenbar in der falschen Partei“, hält ein Genosse trocken fest. Und verweist auch auf die Wahlwerbung eines SPÖ-Gemeinderats für Alexander Van der Bellen – vor dem ersten Wahlgang, als Rudolf Hundstorfer angetreten ist: „Es kann nicht sein, dass das alles unwidersprochen und sanktionslos passiert.“
AUF EINEN BLICK
SPÖ-Troubles. Michael Häupl bezeichnete die herben Verluste als „katastrophal“. Nun fordert (nicht nur) der SPÖ-Vize-Klubchef, der Donaustädter Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy (r.), ein Machtwort Häupls. [ APA (2) ]
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2016)