Ohne Freizügigkeit werden aus der EU nationale Gefängnisse

Warum keine der Freiheiten des Binnenmarkts für Großbritannien geopfert werden darf.

Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis Großbritannien dieses Tor geöffnet wird. Dass es freilich gerade der wirtschaftsliberale Thinktank Bruegel war, ist dann doch verwunderlich. Die Denkfabrik empfiehlt eine Anbindung der Insel an den EU-Binnenmarkt ohne Freizügigkeit. Und sie eröffnet damit eine Debatte, die sich vorerst über die Schweiz, irgendwann aber quer durch die Mitgliedstaaten ziehen wird. Der Binnenmarkt soll für Waren, Dienstleistungen und Kapital offen bleiben, aber nicht mehr für arbeitssuchende Menschen.

Neue Schranken für die Freizügigkeit innerhalb der EU mögen heute populär sein, Grenzschließungen sowieso. Wirtschaftlich spricht dagegen, dass ein riesiger Arbeitsmarkt wieder in einzelne enge Märkte zerteilt würde, in denen die Flexibilität geringer wäre. Europapolitisch spricht dagegen, dass die Grundidee des zusammenwachsenden Europas aufs Spiel gesetzt wird. Es ist die Idee von Freiheit und Wohlstand für alle Bürger. Offenbar reicht das subjektive Unsicherheitsempfinden eines Teils der Bevölkerung aus, die Freizügigkeit zu opfern. Wie sagte kürzlich die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot: „Sicherheit gibt es auch in Gefängnissen.“ Wir bauen daran.

E-Mails an: wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2016)

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