Jeffrey Tambor: „Viele Leute danken mir“

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In der Amazon-Serie „Transparent“ spielt Jeffrey Tambor eine Transsexuelle – eine Rolle, für die er besonders viel recherchierte, um ja nichts falsch zu machen.

Seit er 1977 für eine kleine Rolle in „Kojak“ erstmals vor einer Kamera stand, ist Jeffrey Tambor aus dem Fernsehen nicht wegzudenken. Er hatte Auftritte in „Love Boat“, „Golden Girls“ oder „CSI“. Auch im Kino war er immer wieder zu sehen, etwa in „Rendezvous mit Joe Black“, „Verrückt nach Mary“ oder „Hangover“. Doch erst seit er in „Transparent“ die Hauptrolle der transsexuellen Maura spielt, ist der 72-Jährige wirklich zum Star geworden.

„Transparent“ ist – zumal thematisch – eine sehr ungewöhnliche Serie. Wie früh haben Sie realisiert, dass dies nicht einfach nur ein Job wie jeder andere ist?

Jeffrey Tambor: Eigentlich von Beginn an. Deswegen habe ich mich ja darauf eingelassen. Nachdem ich einmal das Drehbuch in der Hand hatte, konnte sich Jill Soloway, die „Transparent“-Schöpferin, meiner gar nicht mehr erwehren. Mein Agent fragte ständig: „Willst du nicht erst darüber nachdenken? Hast du nicht noch Fragen?“ Aber ich war meiner Sache sofort sicher.

Gab es irgendjemanden, der Ihnen abgeraten hat, die Rolle von Maura zu spielen?

Ich wurde schon manches Mal gefragt, ob ich die Sache mit meiner Familie besprochen hätte. Aber warum sollte ich? Es ging bei dieser Rolle nur um mich und um Maura. Auch und gerade weil ich so viel Respekt vor ihr hatte.

Vor der Herausforderung, die die Rolle darstellte?

Ja, genau. Es ist durchaus einschüchternd, wenn man als Cisgender-Mann eine Transgender-Frau spielt. Ich will in einem solchen Fall natürlich nichts falsch machen, was auch immer das heißt. Auch jetzt, da wir mit der Arbeit an der vierten Staffel anfangen, ist die Herausforderung nicht kleiner geworden. Meine Hände zittern immer noch vor Nervosität. Ich habe mich nur inzwischen daran gewöhnt.

Sie sind seit 40 Jahren Schauspieler. Ist Maura die Rolle Ihres Lebens?

„Transparent“ ist auf jeden Fall die schwierigste Aufgabe, der ich mich je gestellt habe. Aber eben auch die wunderbarste Herausforderung, die ich mir vorstellen kann. Vieles, was im Vorfeld schwierig wirkte, war es letztlich nicht. Alles Äußere – das Make-up oder die Kostüme – war eigentlich ein Kinderspiel und hat vor allem Spaß gemacht. Mauras Innenleben dagegen war ein echter Brocken. Nie in meinem Leben musste ich in eine Rolle mehr Jeffrey einbringen als in diese.

Haben Sie viel recherchiert, um dem Thema gerecht zu werden?

Selbstverständlich. Ich habe mit vielen wunderbaren Trans-Menschen gesprochen und tue es noch. Zwei unserer Produzenten – Rhys Ernst und Zackary Drucker – zum Beispiel sind beide Transgender. Sie sind so etwas wie meine Lehrer, jeden Tag am Set und stehen mir mit Rat und Tat zur Seite. Es gibt nichts, was ich sie nicht frage, ob es nun um große philosophische Fragen geht oder um ganz pragmatische Alltäglichkeiten.

Überhaupt ist das Team von „Transparent“ von einer Diversität geprägt, die in Hollywood sonst selten ist, oder?

Das stimmt. Und diese Vielseitigkeit der Stimmen, die unsere Geschichte erzählen, macht den großen Unterschied aus. Ich habe in meinen 40 Jahren in diesem Beruf noch nie an einem Set gearbeitet, an dem sich jeder – egal, ob Mann oder Frau, cis oder trans, homo- oder heterosexuell, weiß oder schwarz – so sicher und aufgehoben gefühlt hat. Eine solche Offenheit müsste viel häufiger herrschen.

Spüren Sie Veränderungen, in Hollywood wie in der Gesellschaft allgemein?

Das würde ich schon sagen. Natürlich gibt es immer noch schreckliche Momente. Erst neulich wieder wurde ich wegen „Transparent“ auf Twitter als „krank“ beschimpft. Aber dieser unangenehme Lärm verstummt zusehends. Und ich bin hoffnungsvoll, dass die jüngeren Generationen auf Dauer solch reaktionären Mist nicht mitmachen werden.

Zumal Sie doch hoffentlich auch sehr viele positive Reaktionen auf Ihre Arbeit in „Transparent“ bekommen, oder?

Immer wieder sprechen mich Leute an und danken mir. Besonders gerührt bin ich, wenn mir Leute von ihren Kindern erzählen, die sich gerade in der Transition von Mann zu Frau oder andersherum befinden oder sie hinter sich haben. Eine erfüllendere Erfahrung kann ich mir nicht vorstellen.

Steckbrief

Jeffrey Tambor (geb. 1944) feierte 1977 sein Fernsehdebüt in der TV-Serie „Kojak – Einsatz in Manhattan“. Insgesamt spielte er in mehr als 120 Fernsehserien und Spielfilmen.

Aktuell ist er in der TV-Serie „Transparent“ auf Amazon Prime zu sehen, in der er eine Transsexuelle spielt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.10.2016)

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