"König" Ferdinand Piech: Tapfer in die Autozukunft

Ferdinand Piech
Ferdinand Piech(c) AP (KAI-UWE KNOTH)
  • Drucken

Der Auftritt des VW-Konzerns bei der IAA in Frankfurt geriet zum Wunschkonzert des Ferdinand Piëch. Der kühle Stratege und leidenschaftliche Techniker bestimmt das Geschehen bei Europas größtem Autobauer mehr denn je.

Ferdinand Piëch wird gern ein stechender Blick nachgesagt, aber ganz eigentlich ist es dieses duldsame Lächeln, das nicht zwangsläufig spaßig gemeint ist und vor dem man sich ein wenig in Acht nehmen sollte, wenn man Manager bei VW ist und noch etwas werden möchte. Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking hat es zuletzt genossen. Er hat nun viel Zeit zum Traktorfahren in seinen Weinbergen.

Nachdem sich der Pulverdampf der Übernahmeschlacht zwischen Porsche und Volkswagen gelichtet hatte, bot sich das fast gewohnte Bild einer äußerst entschlossenen Autokarriere: Piëch lächelt, vom Feind ist nichts mehr zu sehen. „So ist er halt, der Ferdl“, gab Cousin Wolfgang Porsche, der sich mit Wiedeking gemeinsam an die Premiere einer Piëch-Niederlage gewagt hatte, zu Protokoll.

An diesem Abend dürfte aber alles echt sein an Piëchs Lächeln. Es muss Freude sein, die dem 73-Jährigen ins Gesicht geschrieben steht – schlichte Freude am Automobil. Die treibt den Wiener seit frühester Kindheit an, wofür die Familie durchaus herhalten darf: Großvater Ferdinand Porsche hat den Käfer erfunden, Onkel Ferry gründete die bekannte Sportwagenfirma, Lieblingscousin „Butzi“ zeichnete den 911. Als freischaffender Dreißigjähriger verdiente Piëch Geld mit eigenhändig gezeichneten Konstruktionsplänen, darunter der erste Fünfzylindermotor für Pkw.

Eine Handvoll Stück. Dem niedersächsischen Autohersteller, der das Volk im Namen trägt und dessen Aufsichtsratspräsident Piëch ist, hat diese Freude einen erlauchten Fuhrpark eingetragen. Zwei Stunden dauert die glanzvolle VW-Markenparade in der Frankfurter Jahrhunderthalle am Vorabend der IAA, der größten Automesse der Welt. Fürs Volk ist nur bedingt etwas dabei.

So darf Audi-Chef Rupert Stadler zunächst beruhigen: „Pünktlich zur Cabriosaison in Deutschland“ werde der R8 Spyder auf den Markt kommen, verspricht er. Das 525-PS-Auto wird an die 200.000 Euro kosten – wer wäre da nicht über jeden Tag Verspätung empört? Eine glatte Hiobsbotschaft für Hartz-IV-Empfänger überbringt Lamborghini-Chef Stephan Winkelmann: Vom offenen Reventón, der die Zündfolge seines Zwölfzylinders am Motorblock ausgewiesen hat (1-7-4-10-2-8-6-12-3-9-5-11) und der ungefähr eine Million Euro kosten soll, wird es nur eine Handvoll Stück geben. Da können sich zu kurz Gekommene bestenfalls mit dem halb so teuren Bentley Mulsanne trösten, dessen Hi-Fi-Anlage für volle Klanggewalt allein drei PS benötigt (es bleiben noch ungefähr 509). Zugstärker noch ist nur das blaublütige Sondermodell von Bugatti („Sang bleu“, 1001 PS) oder gleich der live zugespielte, vor den Hallentoren brummende Scania-Sattelschlepper. Die Kombiversion des ?koda Superb demonstriert immerhin, mit welcher Selbstverständlichkeit die noch vor 15 Jahren verrufene Ostblockmarke in der oberen Mittelklasse angekommen ist.

Fehlt noch wer aus der Familie? Am Patienten Seat wird operiert. Und diese Stromautos? Den Job übernimmt die Marke Volkswagen mit einer Studie, deren Serienwirklichkeit für 2013 anberaumt ist. Da wollen andere Hersteller Autos mit Elektroantrieb schon im großen Stil auf der Straße haben, auch wenn sich damit noch lange kein Geld verdienen lassen wird. Piëchs Herz hängt nicht an dieser Technologie, an deren Grundlagen heute noch geforscht wird.

Am nächsten Tag lässt er stattdessen den VW L1 auffahren, die zweite Generation des Einliterautos, sein persönliches Herzbinkerl. Mit dem Vormodell fuhr er 2002 von Wolfsburg nach Hamburg zu seiner Amtsübergabe als VW-Vorstandschef an Bernd Pischetsrieder. Pischetsrieder saß hinten, damit gleich alles klar war.

Der windschnittige Zweisitzer L1 hat einen Dieselmotor, den man an jeder Tankstelle versorgen kann (zehn Liter sollten für gut 800 Kilometer reichen), und er schafft 160 km/h, damit ließe sich das am Sprit gesparte Geld sogar für Strafmandate investieren. Bis 2013 soll das Hightechauto bezahlbar sein und so auf unsere Straßen finden.

Der kühle Stratege und leidenschaftliche Techniker Piëch glaubt an Luxus und Leichtbau und überhaupt an die Vielfalt im Autogeschäft. Dass ihn der Vorwurf der Abgehobenheit, oft aus eigenen Reihen kommend, dieser Tage nicht allzu hart trifft, liegt auch an den tapferen Zahlen, die der Konzern in finsteren Zeiten präsentieren kann. Viele Marken trudeln, einige – etwa Chrysler, Opel, Saab, Volvo – am Rand der akuten Existenzgefährdung.

Tapfere Zahlen. Während der Weltmarkt in den ersten acht Monaten des Jahres um 14 Prozent eingebrochen ist, ist der VW-Konzernabsatz um 2,1 Prozent zurückgegangen. Der Marktanteil ist um zwei Prozent gestiegen. Damit wäre eine elegante Strategie vorgegeben, wie das Jammertal durchmessen werden könnte: möglichst aus der Schwäche der anderen Profit schlagend.

Das hüpft derzeit niemand besser vor als Audi. Als Piëch dort 1975 Vorstand wurde, galt die Marke als bieder und innerhalb des Konzerns als irgendwie lästig – man hätte den widerspenstigen bayerischen Haufen auch gern als weitere VW-Produktionsstätte ausrauchen lassen. Den Kampf um ein eigenes Profil hat Piëch als Herausforderer im Konzern gefochten. Heute hat Audi die ehemaligen Benchmarks Mercedes und BMW, die teurer produzieren und weniger verkaufen, in allen relevanten Kriterien des Autogeschäfts (bis hin zur aktuellen Wunschwagenfrage in Deutschland) hinter sich gelassen. Piëch wappnete Audi mit Vollverzinkung, Quattro, TDI und dem Willen, im Konzernmahlwerk durch Eigenständigkeit zu bestehen.

Als nunmehr zehnte Konzernmarke dürfte insbesondere Porsche an dieser gelegen sein. Das wäre nur natürlich für einen Hersteller, der sich vor einem Jahr noch vor der Übernahme des VW-Konzerns glaubte.

So durfte im Rahmen der bunten IAA-Parade auch der neue Porsche-Chef Michael Macht artig seine Aufwartung machen und die „enge Zusammenarbeit zwischen Porsche und Volkswagen“ beschwören – heute freilich die Überlebensformel für Porsche.

Mag es bei VW einen Bugatti mit über 1000 PS geben, bei Porsche kann man sich für die Zukunft eher ein Auto unter 1000 Kilogramm erwarten. Ende der Sechzigerjahre, als Piëch Rennchef der Marke war und den gefürchteten Porsche 917 auf die Beine stellte, ließ er den Schaltknauf des Rennwagens gegen eine Kugel aus Balsaholz austauschen – das sparte ein paar zusätzliche Dekagramm. Vielleicht ist ja Balsaholz schon auf der nächsten IAA das große Ding.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.