Kolumbianer sagen "Nein" zum Frieden

Entsetzte Kolumbianer bei der Bekanntgabe des Ergebnisses
Entsetzte Kolumbianer bei der Bekanntgabe des ErgebnissesAPA/AFP/GUILLERMO LEGARIA
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Ganz knapp lehnte überraschend eine Mehrheit beim Referendum am Sonntag den vor Tagen geschlossenen Friedensvertrag mit der Farc-Guerilla ab.

Schwerer Rückschlag für den Friedensprozess in Kolumbien: Die Bevölkerung hat sich am Sonntag überraschend mit knapper Mehrheit gegen den Friedensvertrag mit den FARC-Rebellen ausgesprochen. Bei dem Referendum am Sonntag stimmten nach Auszählung fast aller Stimmen 50,21 Prozent der Wähler gegen das Abkommen, mit dem der seit 52 Jahren währende Guerillakrieg beendet werden sollte.

In Umfragen hatte sich vor der Abstimmung noch eine große Mehrheit der Kolumbianer für die Vereinbarung ausgesprochen. Wie es nun weitergeht, war vorerst völlig unklar. Die Niederlage ist jedenfalls ein Rückschlag für Präsident Juan Manuel Santos und dürfte auch international für Enttäuschung sorgen. Sowohl Santos als auch die FARC-Rebellen bekräftigten unmittelbar nach der Abstimmung, ihre Friedensbemühungen weiter voranzutreiben. "Ich werde nicht aufgeben", sagte Santos. "Ich werde bis zum letzten Tag meiner Amtszeit mich um Frieden bemühen, weil das der Weg ist, unseren Kindern ein besseres Land zu hinterlassen."

"Der Frieden wird siegen"

Santos darf sich nach dem Ende seiner Amtszeit 2018 nicht erneut zur Wahl stellen. FARC-Chef Rodrigo Londono, auch unter dem Kampfnamen Timochenko bekannt, sagte, die FARC wollten künftig nur noch Worte als Waffe verwenden. "An das kolumbianische Volk, das von Frieden träumt: Ihr könnt auf uns zählen, Frieden wird siegen", sagte er aus dem Exil in Kuba.

Angeführt wurden die Gegner des Vertrags vom einflussreichen Ex-Präsident Alvaro Uribe, der eine Beteiligung der Rebellen an der Politik ablehnt und Gefängnisstrafen fordert. Jeder wolle Frieden, sagte Uribe. Das Abkommen benötige jedoch "Korrekturen". Er wolle seinen Anteil dazu beitragen. Die Wahlbeteiligung lag bei lediglich 37 Prozent, möglicherweise zum Teil auch wegen des starken Regens in großen Teilen des Landes. Die Ausläufer des Hurrikans "Matthew" in der Karibik sorgten in Kolumbien für heftige Niederschläge. Die Wahlbeteiligung in Kolumbien ist zudem generell recht niedrig.

Vier Jahre Verhandlungen

Die Zustimmung zu dem Friedensvertrag war vor allem in den Regionen hoch, die immer noch unter den Folgen des jahrzehntelangen Konflikts leiden. In den Gebieten im Landesinneren, in denen es seit der Amtszeit Uribes ruhig ist, lag dagegen das "Nein"-Lager vorne. Im Dorf Bojaya stimmten 96 Prozent für die Annahme des Vertrages. Dort waren 2002 durch eine FARC-Attacke auf eine Kirche 79 Menschen getötet und über 100 verletzt worden. Es war einer der schlimmsten Anschläge in der Geschichte des blutigen Konflikts.

Die FARC-Führung hatte sich vor Ort entschuldigt und für den Friedensprozess geworben. Frauen aus der Gemeinde Bojaya, die in einer unzugänglichen Regenwaldregion im Nordwesten des Landes liegt, nahmen auch an der Unterzeichnung des seit 2012 ausgehandelten Vertrags zwischen Regierung und Rebellen vor einer Woche teil. Zuschauer skandierten bei der Zeremonie "Kein Krieg mehr" und "Wir haben es geschafft" - aber die Gegner konnten viele Bürger mit ihrer Kritik an den Sonderjustiz mit maximal acht Jahren Haft für FARC-Verbrechen mobilisieren. Ebenso passt vielen Kolumbianern nicht, dass die Rebellen sich politisch beteiligen dürfen sollten und ihnen dafür mehrere Parlamentssitze garantiert wurden.

Krieg forderte 220.000 Menschenleben

Erst am Montag hatten die Regierung des lateinamerikanischen Staates und die marxistischen Rebellen den in vier Jahren ausgehandelten Friedensvertrag unterzeichnet. Die etwa 7000 Aufständischen erklärten sich darin bereit, die Waffen innerhalb von sechs Monaten abzugeben und fortan als Partei mit friedlichen Mitteln für ihre Ziele zu streiten. Der längste bewaffnete Konflikt Lateinamerikas forderte mindestens 220.000 Menschenleben. Millionen wurden vertrieben und die wirtschaftliche Entwicklung des öl- und kohlereichen Landes gebremst.

(APA/AFP)

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