"Kärnten ist sehr viel Emotion"

Florian Scholz, Intendant des Klagenfurter Stadttheaters, über Wildes, Archaisches, Idyllisches und das Geld.

Das Klagenfurter Stadttheater ist ein Traumjob", sagt Florian Scholz, und es klingt gar nicht ironisch. Bei Kärnten denken viele Leute zuerst an die Hypo Alpe Adria oder das Ex-Haider-Land, an schöne Gegenden natürlich auch, aber sonst? Scholz runzelt die Stirn: "Ich finde die Vorurteile gegen Kärnten ärgerlich. Obwohl ich ja selbst ein Zugereister bin. Wir haben einen Landeshauptmann Peter Kaiser und eine Klagenfurter Bürgermeisterin Maria-Luise Mathiaschitz. Das sind engagierte Politiker. Ich fühle mich Kärnten verbunden. Es ist ein Land mit sehr vielen guten Eigenschaften, mit aufmerksamen, wachen Menschen, vielleicht auch durch die Krisen, die sie erleben mussten." Seit der Saison 2012/13 ist der gebürtige Heidelberger Scholz Intendant in Klagenfurt. Was findet er typisch für Kärnten? "Sehr viel Emotion. Ist sie zornig, dann gnade einem Gott, ist sie liebevoll und herzlich, dann ist es das Paradies auf Erden. Es hat etwas Wildes, Archaisches, dieses Leben in Kärnten." Scholz reist viel herum, auch nach Wien, um sich Aufführungen anzusehen. Die Landesbühnen haben sich in den vergangenen Jahrzehnten sehr positiv entwickelt, das Wort Provinz sollte man besser nicht mehr in den Mund nehmen, wenn man nach Graz, Linz oder Innsbruck fährt, um Theater und Oper zu sehen. Scholz: "Richtig. Die Metropole hat vor allem in der Vergangenheit sehr viel zu bieten gehabt, was ländliche Gegenden nicht hatten. Aber diese Kategorien lösen sich immer mehr auf. Provinz, das gibt es nicht mehr. Provinz war früher dadurch definiert, dass man an bestimmten Orten Informationen oder Waren nicht bekam. Heute können Sie sich an fast jedem Platz der Welt alles besorgen. Die Entscheidung ist eher, ob man ein Leben in größerer Stille oder in größerem Trubel haben will."

Inspiration Lassnig. Scholz wollte zunächst Schauspieler werden und hat mit Straßentheater in Paris seine Karriere begonnen: "Wir sind mit einem 2CV, einer Ente, durch Frankreich gefahren. Ich dachte aber, ich muss die Schauspielerei richtig lernen. Das habe ich auch gemacht, an der Ernst-Busch-Hochschule für Schauspielkunst in Berlin. Ich war voll im Saft, ich habe das Metier über alles geliebt und war überzeugt, dass ich den Hamlet im Burgtheater spielen werde. Die Berufsrealität hat mich allerdings schwer ernüchtert. Ich fand vieles empörend."
Meint er die Willkür der Regisseure? "Wir brauchen diesen ganzen Betrieb. Sonst können wir keine Kunst machen. Wir brauchen die Institution. Aber die Erfahrung als Schauspieler prägt mich bis heute, ich rege mich auf, wenn die Künstler missachtet werden, und trete für sie ein. Ohne Künstler kann man den ganzen Laden schließen. Aber der Künstler ist der Letzte, der in Entscheidungsprozessen gefragt wird. Man muss immer das machen, was andere sich ausgedacht haben. Die eigenen Vorstellungen durchzusetzen, das gelingt oft nicht einmal Superstars." Nach dem Abschied von der Schauspielerei hat Scholz bei Gerard Mortier, dem 2014 verstorbenen Intendanten der Salzburger Festspiele, und bei Nikolaus Bachler, heute Direktor der Bayerischen Staatsoper in München, angeheuert, um sich mit dem Management vertraut zu machen. "Bei Mortier war ich Lehrling. Ich habe ihn gebeten, mich an seine Seite zu nehmen. Das hat er getan und ich habe sehr von seiner Erfahrung profitiert. Mortier und Bachler verbindet die Leidenschaft für die Bühnenkunst, beide sind hoch begabte Theaterleiter."
Wie weit kann ein Intendant, siehe Burg-Krise, die wirtschaftliche Situation einer Bühne überblicken? "Auf das möchte ich jetzt lieber nicht eingehen. An sich sind Theaterfinanzen keine so große Kunst. Man kann nicht mehr ausgeben, als man hat. Allerdings wäre ich nie so wahnsinnig, ohne einen Geschäftsführer, auf den ich mich verlassen kann, ein Theater zu führen."
"Du oder ich", nach einem Gemälde von Maria Lassnig, ist das Motto der neuen Saison. Zielt die Malerin auf diesem berühmten Bild mit ihrer Pistole auf das Publikum? "Ich sehe das so. ,Du oder ich , dieses Motto hat natürlich mit der Flüchtlingsthematik zu tun und mit einer Welt in großer Ratlosigkeit, wie wir sie erlebt haben. So viele Opfer, so viel Not! Die Kärntner haben den Flüchtlingen übrigens einen sehr herzlichen Empfang bereitet."

Alle sollen kommen. Heuer gibt es im Stadttheater zum Beispiel Schillers "Maria Stuart" und Donizettis "Maria Stuarda" zu sehen wie also entsteht ein Spielplan? "Es kommt auch auf Konstellationen an. Aber natürlich spielt das Thema eine Rolle. In ,Maria Stuart bieten sich immer wieder Möglichkeiten, miteinander oder nebeneinander auszukommen, dennoch endet die Geschichte in Zerstörung. Warum muss das so sein? Diese Frage hat Schiller sehr direkt gestellt in seinem Gedankenexperiment. In der Realität haben sich Maria Stuart und Elisabeth ja nie getroffen." Schiller wird heute viel mehr gespielt als Goethe im Theater, warum? Scholz: "Goethes Stücke brauchen ein größeres Geschick, damit sie sich heutzutage auf einer Bühne wirklich ereignen. Stephan Kimmigs Salzburger ,Clavigo -Inszenierung wurde von der Presse in der Luft zerfetzt. Das war ein totales Missverständnis. Ich war von der Aufführung begeistert. In dem Stück geht es nicht nur um Karriere, sondern auch um die Frage, was heute überhaupt noch gültig ist, was anerkannt wird. Das hat diese Inszenierung sehr plastisch vor Augen geführt."
Scholz kommt nicht aus einer Künstlerfamilie. Der Vater war Lehrer, die Mutter eine erfolgreiche Lungenfachärztin. "Mein Vater war zu Hause und hat Thomas Mann gelesen. Er lebte in Traumwelten. Einmal habe ich zu ihm gesagt, du wärst ein guter Schauspieler geworden. Da sagte er: Ja." Hat das Klagenfurter Stadttheater ein besonderes Publikum? "Ich hoffe, dass alle zu uns kommen. Manchmal haben wir Busse aus Triest." Gibt es eine objektive Qualität im Theater? "Natürlich gibt es so etwas wie eine kraftvolle, starke stimmige Inszenierung, die alle überzeugt. Zum Beispiel unsere ,Nora in Klagenfurt." 

Tipp

Stadttheater Klagenfurt "Ferdinand, der Stier" (Kinderstück, 9. 10., 11 Uhr), "Salome" (mit Anna Gabler, Regie: M. Sturminger, 14., 19., 23. 10.), Schillers "Maria Stuart" (mit Franziska Hackl, 13./15. 10.)

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