Tourismus: Die Lehren aus dem Krisensommer

Kreuzfahrtschiff Norwegian Getaway liegt vor Rio de Janeiro vor Anker August 10 2016 Rio De Janei
Kreuzfahrtschiff Norwegian Getaway liegt vor Rio de Janeiro vor Anker August 10 2016 Rio De Janeiimago/ZUMA Press
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Reiseveranstalter wie Ruefa und Tui rüsten schon jetzt für den kommenden Sommer – oder haben es längst getan. Teil der Strategie: Kreuzfahren als Ersatz für den Türkeiurlaub.

„Dieses Jahr konnten wir nur reagieren, für das kommende Jahr können wir vorausplanen“, sagt Kathrin Limpel. Und stockt im Satz. Eigentlich, fügt die Sprecherin von Tui-Österreich hinzu, könne man im Tourismus sowieso nie vorausplanen. Nach großen Zukunftsängsten klang das, was Ende September vom dem Hannoverschen Sitz des internationalen Touristikkonzern nach außen drang, aber nicht: Vorstand Fritz Joussen präsentierte nicht nur eine Erhöhung der Gewinnprognose von zuvor „mindestens zehn“ auf „zwölf bis 13 Prozent“ für das mit September abgelaufene Geschäftsjahr. Er nannte auch die konkreten Gewinnbringer im Bauchladen der Tui-Gruppe: die zur Hälfte in ihrem Besitz stehende spanische Hotelkette Riu und das kontinuierlich erweiterte Kreuzfahrtgeschäft.

Rückenwind aus Hannover

Mit dieser Ansage im Rücken könne auch die Österreich-Tochter trotz aller geopolitischen Herausforderungen zurecht „optimistisch ins Jahr gehen“, konstatiert Limpel. „Es geht tatsächlich auch um Wachstum.“ Die überraschende Ergebniskorrektur aus Norddeutschland ist aber noch etwas anderes: Sie ist ein Gradmesser dafür, welche Lehren die Reiseveranstalter aus politischen Umbrüchen wie in der Türkei und Ägypten und dem darauffolgenden Gästeschwund für die Zukunft ziehen.So versuchen auch die Ruefa-reisbüros verstärkt mit Kreuzfahrten ihr Glück.

Zwar buchten erst 130.000 Österreicher pro Jahr Kreuzfahrtreisen, sagte Walter Krahl, Geschäftsführer der Ruefa-Reisebüros, am Freitag vor Journalisten. Doch das Plus von 13 Prozent bei den Vorausbuchungen für 2017 belege das anhaltende Wachstum in diesem Segment. Bei Ruefa hat man sich bereits das konkrete Ziel gesetzt, im kommenden Jahr zehn Prozent des Umsatzes mit Kreuzfahrten zu bestreiten.

Nur der Strand fehlt

Mit Last-Minute-Preisen könne das schwimmende Angebot zwar nicht mithalten, mit einem fair kalkulierten Türkei-Angebot aber schon, betont Krahl. Und die Konzepte seien ähnlich: All inclusive, Kinder- und Animationsprogramm seien auch auf einem Mittelmeer-Kreuzer vorhanden. Nur der Strand fehlt. „Der typische Kreuzfahrer bucht aber bis zu acht Monate im Voraus“, warnt der Ruefa-Chef.

Und wird noch genereller: „Die Leute werden früher buchen müssen.“ Nur so könnten seine Reisebüromitarbeiter Szenarien wie in diesem Sommer vermeiden: „Viele Reisende haben zugewartet. Und im Juli und August haben wir keine Antworten mehr auf ihre Urlaubswünsche gefunden.“ Um der strategisch Nachfrage zuvorzukommen, hat man für den kommenden Sommer große Kapazitäten in Sardinien und Kroatien dazugekauft, sagt Verkehrsbüro-Chefin Helga Freund, zu deren Konzern die Ruefa-Büros zählen. In Spanien haben wiederum Veranstalter wie Tui große Kontingente erworben, auf die die österreichische Kette zugreift.

„Trotz allem glauben wir an die Türkei“

„Trotz allem glauben wir an die Türkei und haben dort Chartermaschinen und Plätze gekauft“, sagt Limpel. Für diesen Sommer lässt sich nun im Rückblick festhalten: Der Einbruch bei den Türkei-Buchungen lag im Fall der österreichischen Touristen deutlich über der vom Konzern herausgegebenen Zahl von 40 Prozent. 58 Prozent weniger waren es bei der Ruefa. Dennoch glaubt Limpel auf lange Sicht gesehen an ein kontinuierliches Comeback der Destination.

Langfristig plant auch Christoph Heißenberger. Er leitet das Österreich- und Südosteuropageschäft der Allianz-Reiseversicherungstochter Global Assistance (AGA). „Man sollte sich nicht allzu sehr von einer kurzfristigen Sichtweise beeindrucken lassen.“ Damit spielt er auf die „kleine Delle“ von drei Prozent im Umsatz mit Reiseversicherungen an, die sein Unternehmen durch die Verlagerung der Touristenströme diesen Sommer machte. „Das hat es in der jüngeren Geschichte schon gegeben – etwa 1999 beim Terroranschlag auf Luxor.“

Seine Bilanz liest sich wie ein kommunizierendes Gefäß der Tourismusbranche. Während Umsätze und Schadensfälle bei der klassischen Reiseversicherung sanken, stiegen sie in der Kfz-Sparte durch den wiederentdeckten Nahurlaub. Unter dem Strich erzielte man ein leichtes Plus. Gleichzeitig seien die Abschlüsse bei den Ganzjahresversicherungen stark gestiegen. 20 Prozent Zuwachs verzeichnete Heißenbergers AGA in diesem Segment alleine heuer. Ein seit fünf Jahren konstanter Trend, wie er sagt, der neben dem verstärkten Sicherheitsbedürfnis der Menschen auch einer immer spontaneren, häufigeren Reisetätigkeit Rechnung trägt. „Man muss hier ein Gesamtbild sehen – und dieses Gesamtbild macht die Zukunft aus.“

(Red.)

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