Wenn Computer Währungskurse manipulieren

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In der Nacht auf Freitag stürzte das britische Pfund kurzfristig um sechs Prozent ab. Der genaue Grund ist nicht bekannt. Handelsprogramme, die blitzschnell auf Änderungen reagieren, dürften aber eine Rolle gespielt haben.

Wien. Freitagfrüh, kurz nach ein Uhr. Die Lage auf den globalen Währungsmärkten ist ruhig, es ist die sogenannte Twilight-Zone. In den USA machen sich die meisten Händler bereits auf den Weg nach Hause, in Asien tröpfeln sie erst langsam in ihren Büros ein. In Europa wird allgemein geschlafen. Der Kurs des britischen Pfundes steht bei knapp über 1,26 Dollar. Dann plötzlich passiert etwas Unerwartetes: Innerhalb weniger Sekunden stürzt das Pfund ab und fällt auf unter 1,19 Dollar. Ein Minus von sechs Prozent auf den tiefsten Stand seit 31 Jahren (siehe Grafik). Ein größerer Kursrutsch als nach Bekanntwerden des Brexit-Votums.

Der Spuk ist jedoch nur von kurzer Dauer. Bereits um halb zwei Uhr früh hat sich der Markt wieder beruhigt. Das Pfund liegt nur mehr etwa ein Prozent im Minus bei etwa 1,24 Dollar, wo es den Rest des Tages auch verbleibt. Bei der ganzen Sache handelt es sich also um einen sogenannten Flash-Crash. Einen schlussendlich harmlosen Ausschlag nach unten, der zwar einzelnen Marktteilnehmern große Gewinne oder Verluste gebracht, aber auf den gesamten Markt keinen dauerhaft relevanten Einfluss gehabt hat.

Dennoch bleibt bei vielen Händlern ein ungutes Gefühl. „Das war ein Preisausschlag, den man normalerweise nur von der Währung eines Schwellenlandes erwarten würde. Und nicht von einem des am stärksten gehandelten Währungspaares auf der Welt“, zitiert etwa das „Wall Street Journal“ den Währungsanalysten eines australischen Handelshauses. Verstärkt wird dieses Gefühl dadurch, dass der konkrete Grund für den plötzlichen Kursverfall nicht festzustellen ist.

Der Pfund-Absturz ist zudem der jüngste, aber bei Weitem nicht der einzige Flash-Crash der vergangenen Monate. So fiel der Leitindex der New Yorker Wall Street, der Dow Jones, am 24. August des Vorjahres innerhalb weniger Minuten um mehr als 1000 Punkte – erholte sich jedoch relativ schnell wieder davon. Und Anfang Mai 2015 fielen die Kurse deutscher Bundesanleihen plötzlich massiv, bevor sich der Markt nach wenigen Stunden wieder drehte. Ähnlich abrupte Entwicklungen waren zuvor auch schon bei US-Staatsanleihen beobachtet worden.

Ein einzelner Auslöser für diese Kursstürze kann in der Regel nicht genannt werden. Worin sich allerdings die meisten Experten sicher sind, ist, dass sie durch automatisierte Handelsprogramme, deren Zahl im Börsenhandel stetig zunimmt, massiv verstärkt werden. Das ist eine logische Folge der in den Programmen verwendeten Algorithmen. Denn diese sollen ja dafür sorgen, dass Veränderungen auf dem Markt blitzschnell erkannt werden und sofort darauf reagiert wird. Denn nur wer bei solchen Veränderungen als Erster kauft oder verkauft, kann am meisten Gewinn erzielen.

Computer „lesen“ die Nachrichten

Auch beim Pfund-Flash-Crash von diesem Freitag gibt es eine Reihe von möglichen Erklärungen. So könnte es sich dabei um einen klassischen Fat-Finger-Fehler handeln. So werden Tippfehler eines Händlers bezeichnet, bei denen beispielsweise eine Verkauforder mit einem weit unterhalb des Marktwertes stehenden Wert geschalten wird. Dies kann vor allem dann, wenn wenig Liquidität auf dem Markt herrscht, zu sinkenden Kursen führen. Werden dadurch dann viele Stopp-Loss-Grenzen durchbrochen und beginnen die automatischen Handelsprogramme darauf zu reagieren, kann daraus ein richtiger Kursrutsch werden.

Im Fall des Pfundes könnte aber auch ein Computerprogramm der Auslöser gewesen sein, so die Vermutung. Denn der Beginn des Kursrutsches erfolgte, nur kurz nachdem die „Financial Times“ einen Bericht über eine Rede des französischen Staatspräsidenten Franąois Hollande in Paris auf ihre Homepage gestellt hatte. Hollande wird darin mit den Worten zitiert, dass Großbritannien für sein Brexit-Votum zu „leiden“ habe, damit die Einheit der restlichen EU gesichert werde.

Da es Handelsprogramme gibt, die Nachrichten nach ihrem Inhalt erkennen und einordnen können und daraufhin dann konkrete Aktivitäten auf dem Markt setzen, könnte ein Computer nach den harschen Worten aus Paris überreagiert haben, heißt es. Zusammen mit einem zum aktuellen Zeitpunkt geringen Handelsvolumen und einer allgemein negativen Erwartung für die britische Währung eine giftige Mischung für die Währungsmärkte.

Was auch immer der konkrete Auslöser gewesen ist, eines ist klar: Es wird nicht der letzte Flash-Crash gewesen sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2016)

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