Elf Hilfsorganisationen wollten die Räumung des improvisierten Flüchtlingslagers am Ärmelkanal verhindern. Das Gericht sieht in der Räumung keinen Verstoß.
Die Räumung des Flüchtlingslagers im nordfranzösischen Calais rückt immer näher. Ein Verwaltungsgericht gab am Dienstag Grünes Licht für die geplante Auflösung des sogenannten Dschungels. Innenminister Bernard Cazeneuve sagte daraufhin, der Beginn der Räumung sei nun "eine Sache von Tagen".
Für Aufregung sorgte unterdessen eine mutmaßliche Gewalttat am Rande des "Dschungels": Ein afghanischer Flüchtling soll die Dolmetscherin eines Fernsehreporters vergewaltigt haben.
Die französischen Behörden wollen das am Ärmelkanal gelegene Lager, in dem nach unterschiedlichen Angaben zwischen 6000 und 10.000 Flüchtlinge ausharren, schon seit geraumer Zeit räumen. Die Flüchtlinge sollen in Unterkünfte im ganzen Land verteilt werden. Viele Flüchtlinge wollen das aber nicht - sie hoffen weiterhin, von Calais aus heimlich nach Großbritannien zu gelangen.
Gericht lehnt Eilantrag ab
Elf französische Hilfsorganisationen versuchten zuletzt, die Räumung des Flüchtlingslagers mit juristischen Mitteln zu verhindern. Das Verwaltungsgericht der nordfranzösischen Stadt Lille lehnte einen Eilantrag der Organisationen am Dienstag aber ab.
Die Räumung des Lagers als solche sei kein Verstoß gegen das Verbot von "unmenschlicher und entwürdigender Behandlung", argumentierte das Gericht. Vielmehr ziele die Auflösung des Lagers unter anderem darauf ab, einen solchen Umgang mit Flüchtlingen zu beenden. Die Flüchtlinge würden in Calais unter "prekären Bedingungen und Unsicherheit" in dem Lager leiden.
"Es nähert sich der Moment, an dem wir mit dieser Operation beginnen werden", sagte Innenminister Cazeneuve daraufhin vor der Nationalversammlung in Paris. Es gehe darum, "seit Monaten im Schlamm" lebenden Flüchtlingen eine ordentliche Unterkunft anzubieten. Die Regierung verfolge ein "humanitäres" Ziel, beteuerte der Sozialist.
Ein Datum für den Beginn der Räumung des Lagers haben die französischen Behörden nicht genannt. Als möglicher Termin gilt inzwischen der kommende Montag.
Ermittlungen wegen Vergewaltigung
Unterdessen leitete die französische Justiz Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Vergewaltigung einer Dolmetscherin am Rande des Flüchtlingslagers ein. Die zuständige Staatsanwaltschaft erklärte, ein Fernsehjournalist und seine afghanischstämmige Paschtu-Dolmetscherin hätten in der Nacht auf Dienstag in dem Flüchtlingslager eine Reportage über minderjährige Flüchtlinge gedreht. Dabei seien sie nach eigenen Angaben von drei Afghanen, "vermutlich Flüchtlingen", attackiert worden.
Die Männer hätten zunächst die Ausrüstung des Journalisten rauben wollen. Dann habe einer der mit Messern bewaffneten Afghanen die 38-jährige Dolmetscherin zu Sex gezwungen. Die beiden anderen Männer hätten den 42-jährigen Journalisten mit Messern auf Abstand gehalten.
Nach den drei Angreifern wurde noch gesucht. Der französische Sender France 5 bestätigte, dass der Journalist und die Dolmetscherin in seinem Auftrag an einer Reportage arbeiteten.
Der "Dschungel von Calais" ist politisch höchst umstritten. Sechs Monate vor der Präsidentenwahl wird das Reizthema vor allem von der konservativen Opposition in die Debatte gebracht. Erst im vergangenen Monat hatte der Präsidentschaftsanwärter Nicolas Sarkozy Calais besucht.
(APA/AFP)