Mario Lohninger: Koch gegen die Krisen

(c) Tre Torri
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Mario Lohninger, Michelin-Stern- und Club-Koch, über die Wirtschaftskrise in seinem Silk, warum er das New Yorker Danube liebte und wie er nach dem 11. September 2001 für die Helfer kochte.

TIPP

Mario Lohninger ist der vielleicht erfolgreichste österreichische Koch. Natürlich sind da die alten Helden wie Eckart Witzigmann oder Johann Lafer. Aber von den jüngeren zeitgenössischen gibt es nur Lohninger. Der Mann, der den Vokuhila im ironischen 80er-Retrotrend zu tragen wagte, lernte in Österreich, unter anderem bei den Brüdern Obauer, sein Handwerk. Seinen Siegeszug begann er Ende der 90er-Jahre in Tribeca, Manhattan. Im legendären Danube kochte er eine moderne österreichische Küche, die nicht nur in New York für Furore sorgte, sondern auch zu Expeditionen aus den heimischen Lokalen in die USA führte.

Dann ging er nach Frankfurt, wo er gemeinsam mit DJ und Künstler Sven Väth den Cocoon Club und das angeschlossene Restaurant Silk aufbaute. Essen im Liegen in einem angesagten Club: Das brachte internationale Berichte und zahllose neugierige Gäste. Sogar der „Guide Michelin“ schaute vorbei und verlieh einen Stern. Mit passender kreativer Verspätung bringt er nun sein neues Kochbuch zur Frankfurter Buchmesse heraus. Er muss genau genommen gar nicht hin; die Kollegen Autoren, Kritiker und Journalisten kommen ohnehin zu ihm. Zur edelsten, bestbeschallten und designtesten Küchenparty des Kontinents. Wer so viel erreicht hat, muss zwangsläufig im Interview bescheiden bleiben.


Sie kochen in Frankfurts Vorzeigelokal Silk, dem ­Restaurant des Cocoon Club. Sie müssen die Krise doch spüren wie kein anderer?

Lohninger: Die Krise hat Frankfurt gewaltig erwischt. Wir sind die Bankenmetropole. Die Restaurants, die voll auf die Businessgäste gegangen sind, haben ein massives Problem. Wir haben auch immer viele Private gehabt. Die Gastronomen lernen gerade, dass der private Gast der wichtigste ist. Das war bei uns immer schon so, zu uns kommen auch immer junge, neugierige Gäste. Und dann haben wir durch die große sinnliche Welt auch viele Künstler bei uns.

Kochen Sie anders? Weniger Trüffel und Jakobsmuscheln?

Nein, wir haben uns mit dem Menü immer breiter aufgestellt, aber bei den Zutaten habe ich jetzt nichts verändert. Jakobsmuscheln gibt es weiter. Ich bleibe auf dem vollen Programm. Aber ich habe immer einen Gemüsesalat und Nudeln mit neapolitanischer Sauce.

Und es gibt kein verändertes Essverhalten durch die Krise?

Nein, das gibt es zumindest bei uns nicht.

Sie haben große Krisenerfahrung. Sie standen am 11. September 2001 in der Küche des legendären Restaurants Danube.

Ja, danach habe ich für die Tausenden Helfer am Ground Zero gekocht. Das wurde dann auch eine Wirtschaftskrise.

Wobei das Danube so nahe am Ground Zero war, dass kaum Chancen bestanden.


Ja, das war in der roten Zone. Die gesamte Business-Community ist nach New Jersey übersiedelt. Den 11. September habe ich als eine echte Krise erlebt: Anfangs wollten sich die New Yorker nichts anmerken lassen, zeigten Muskeln, gingen essen, aber nach sechs Monaten ging es schrittweise nach unten. Das Danube hat dann einfach nicht mehr funktioniert. Seit mehr als einem Jahr ist es nun zu.

Sie haben das Restaurant schon früher verlassen. Das war doch die kulinarische Botschaft Österreichs?

Ja, mir war im Danube von Tag eins an sehr wichtig, dass wir hier auch etwas Persönliches schaffen. So habe ich dort auch gekocht, also dass wir eben auch ein geiles Gulasch und ein Wiener Schnitzel auf der Karte hatten. Da haben wir für das 21. Jahrhundert ein gigantisches Restaurant geschaffen. Vor allem ist es immer noch so: Wenn man es in New York geschafft hat, zieht das mehr!

Das Projekt Cocoon Club in Frankfurt begann als erstes Club-Restaurant der Welt auf hohem Niveau. Ist es das typische Lokal des nun ablaufenden Jahrzehnts gewesen? Mittlerweile hat es ja sogar einen Michelin-Stern.

Ich weiß nicht so recht. Mario Lohninger und Sven Väth haben einen gemeinsamen Pakt geschlossen, das so zu machen. Wir sind beide so viel gereist. Väth wollte sein Leben in einem Restaurant widerspiegeln. Bei mir war das ähnlich. Es ging uns schon um eine neue tempelhafte Lokalgestaltung und eine Küche, die völlig neu war. Eine neue Definition. Ich habe mir immer gewünscht, so etwas zu machen. Unser anliegendes Lokal Micro, das leider immer zu leicht vergessen wird, ist eigentlich noch frischer, moderner und zukunftsweisender. Für uns war wichtig, dass wir nicht in dem einen Jahr die Bar verändern und im nächsten dann die Möbel erneuern, sondern dass das auf einen Schlag steht. Da ist eine ganze Menge Schmalz geflossen. Das ist vom Start weg eine zeitlose Geschichte.

Wo geht denn die Reise jetzt hin? Bleiben Sie dort für immer?


Solange das Lokal leben darf, bleibe ich hier. Wir werden sehen, wie lange es geht. Der höchste Maßstab wäre das Tantris, das es zum Glück ewig gibt.

Wohin entwickelt sich denn die Küche?

Es geht seit Jahren zurück zur Region, zur eigenen Person. Geografie ist ganz wichtig für die Küche.

Wäre es nicht besser, in Österreich zu kochen?

Von den Produkten her ja. Aber ich bin glücklich hier. Wobei Wien eine wirklich tolle Stadt ist.

Wir könnten einen jungen Michelin-Stern-Koch gut brauchen.

Danke. Aber der Wiener ist ein schwieriger Gast, wenn man ihn etwa mit dem Pariser vergleicht. Der Wiener fragt immer sofort, was etwas kostet. Das schlägt sich leicht auf die Qualität. Es gibt eben tolle Heurigen und Wirtshäuser. Die Spitzengastronomie ist aber aufwendig. Es hat alles seinen Preis.

Wohin gehen Sie am liebsten in Österreich?

Die meiste Zeit ziehe ich mich nach Maria Alm im Pinzgau zurück. In diesen seltenen Momenten koche ich auch alleine etwas für mich und meine Freundin. Ich bin sehr froh, wenn ich nicht zu viel unterwegs bin und endlich Ruhe habe. Ich gehe zum Erlhof, zum Brandlhof, wo ich die Lehre gemacht habe. In Wien schätze ich natürlich das Schwarze Kameel, den Meinl am Graben und das Steirereck – das ist himmlisch, was die dort auf den Tisch zaubern. Und in Salzburg die Brüder Obauer.

Stimmt, es gibt hier kaum jemanden Besseren.

Ja, die können das. Ich habe noch nie einen besser geführten Betrieb gesehen. Das ist das Maß der Dinge.

TV hat Sie nie interessiert wie viele Ihrer deutschen Kollegen?

Ich bin durch Zufall Koch geworden, auch ähnlich in die Formel 1 der Kulinarik gekommen. Okay, ein bisschen Ehrgeiz war dabei.

Mario Lohninger, Tre Torri, 220 Seiten, 25,70 Euro, ab Anfang ­Oktober im Handel.

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