Die Trumps - Von Kallstadt in die Welt hinaus

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Donald Trumps Großeltern zog es aus einem kleinen Weindorf in der deutschen Provinz in die Neue Welt. Stolz ist hier aber keiner auf den exzentrischen, schrillen Kandidaten.

Einen Schoppen Weißwein in der Hand, genießerisch vom Saumagen, dem deftigen regionalen Leibgericht, Helmut Kohls Leibspeise, schwärmen und über den Wein und die kleine deutsche Welt schwätzen: Für die munteren Zecher vor der Ausschank der Blockhütte am Kirchenplatz von Kallstadt besteht darin die Trias der Glückseligkeit. Dass in den Kellergewölben des gesichtslosen 1200-Seelendorfs an der Pfälzischen Weinstraße ein Schatz von zehn Millionen Litern Weißwein lagert, dass an den Weinhängen in der langen Nacht der offenen Tür die Fackeln leuchten, bis hinüber an den nahen Rhein und die Chemiefabriken von Ludwigshafen – das erfüllt sie mit Stolz. Dass der Enkel von Friedrich Trump und Elisabeth Christ, zwei gebürtigen Kallstädtern, „drüben in Amerika“, wie sie sagen, demnächst zum mächtigsten Mann der Welt avancieren könnte, das imponiert indes den wenigsten.

„Der hat sich hier noch nie blicken lassen“, lautet der Tenor in dem Dorf im Südwesten Deutschlands, ein Bild von Bescheidenheit und Rechtschaffenheit, ein wenig spießig und kleinbürgerlich und mithin das Gegenteil der Großkotzigkeit à la Donald Trump. Der egomanische Milliardär mit der kupferfarbenen Föhnwelle entlockt den Kallstädtern allenfalls ein Schmunzeln. Oft ruft der Name des US-Präsidentschaftskandidaten, im pfälzischen Dialekt mit einem langen U ausgesprochen, brüskes Kopfschütteln hervor. „Der spinnt“, „Der hat einen Schuss“ – das sind noch freundliche Charakterisierungen.

Im Saumagenparadies, der Fleischhauerei, oder im Weinhaus Henninger, dem besten Restaurant am Platz, stöhnen manche genervt, ja, gereizt auf. Daniela, Rezeptionistin im Hotel Henninger, vermag einen positiven Nebeneffekt des medialen Trump-Hypes zu benennen, der Kallstadt eine zweifelhafte, wenngleich begrenzte Berühmtheit eingebracht hat: „Werbung ist das für uns auf jeden Fall.“

Nicht, dass Trump-Fans aus den USA in den vergangenen Monaten den Ort gestürmt hätten. Es sind eher interessierte Tagestouristen, die für einige Stunden in dem Weindorf mit ein paar schmucken Fachwerkhäusern, in dem Gartenzwerge die Vorgärten zieren, Zwischenstopp machen – wie in einem Klischee von der deutschen Provinz. Am Geburtshaus von Friedrich Trump, Donalds Großvater, prangt zwar keine Hinweistafel, an der Gartentür hängt allerdings ein Spruch, der einiges über den lokalen Humor aussagt: „Gott sieht alles, mein Nachbar sogar noch mehr.“


„Kings of Kallstadt.“ Vom Bürgermeister bis hin zu Großcousins und noch entfernteren Verwandten Trumps halten sich viele in Kallstadt bedeckt, darum bemüht, ihre Meinung über den Kandidaten und seine Politik nicht über die Grenzen von Rheinland-Pfalz hinauszuposaunen. Skepsis und Abneigung schwingen dennoch, mehr oder weniger unverhohlen, überall mit. Nur die Inhaberin des Weinparadieses am Ortsrand – eine „Zugezogene“, wie sie sich gleich zu erkennen gibt – nimmt sich kein Blatt vor den Mund: „Wir mögen den Kerl nicht. Eine große Klappe und nichts dahinter. Der hat schnell Geld gemacht, und jetzt glaubt er, die Welt zu regieren.“ Aus der reschen Wirtin spricht nur Verachtung, und so, als müsste der Sinnspruch in der Gaststube den Kommentar der Chefin unterstreichen, prangt dort, in Holz geschnitzt: „Die Leute sagen immer, die Zeiten werden schlimmer. Die Zeiten bleiben immer, die Leute werden schlimmer.“


„Mein Opa war ein Trump.“ Da und dort, im Namensschild am Weingut auf dem Hang, an der Weinstube und nicht zuletzt auf dem Friedhof, zeigen sich die Spuren der Vorfahren. „Mein Opa war ein Trump, meine Oma eine Heinz“, tut eine ältere Frau nicht ohne ein gewisses Selbstbewusstsein kund. Gleich zwei mächtige US-Milliardärsdynastien, die Trumps und die Heinzs – die Gründer des Ketchupclans –, haben in Kallstadt nämlich ihre Wurzeln.

Simone Wendel, eine hiesige Filmemacherin, hat darüber eine Doku mit dem Titel „Kings of Kallstadt“ gedreht. Sie spürt den verschlungenen Wegen der Stammväter, der Emigranten Friedrich Trump und Johann Heinrich Heinz, und ihrem Pioniergeist nach. Für ein Interview stieß die Regisseurin bis in Donald Trumps Büro im glitzernden Trump Tower vor. Bisher wollte der 70-Jährige nur wenig von seiner deutschen Herkunft wissen. Wegen befürchteter Ressentiments und möglicher Geschäftsnachteile nach den beiden Weltkriegen verleugnete die Familie durchwegs ihre deutschen Wurzeln. Sie gab sich stattdessen als schwedisch aus, mit Abstammung aus Karlstad – eine Fama, die Donald Trump noch im Bestseller „The Art of the Deal“ kultivierte.

1885 hatte der damals 16-jährige Friseurlehrling Fritz Trump den Entschluss gefasst, dem kargen Dasein zu entfliehen. Zwei seiner Schwestern waren bereits nach New York ausgewandert, und er sollte ihnen nun folgen. Via Bremen und Southampton kam er in die USA, wo er sich die ersten Jahre als Barbier durchschlug, ehe ihn der große Goldrausch in den Westen lockte. In Seattle, im Bergarbeiterstädtchen Monte Christo und schließlich am Yukon in Alaska führte er Spelunken mit Separees für Prostituierte, so etwa das Etablissement New Arctic Restaurant.

Im Nordwesten der USA herrschte Ende des 19. Jahrhunderts weder Recht noch Ordnung, schreibt Michael D'Antonio in seiner Trump-Biografie. Unter derlei Umständen, so notiert er, hätten schon Mut und Kühnheit zum Erfolg geführt. Hier legte Friedrich Trump, dem es nicht an Dreistigkeit fehlte, den Grundstein für sein Vermögen. Als 32-Jähriger kehrte er als stattlicher Mann und US-Bürger zurück in seine deutsche Heimat, um just die Nachbarstochter Elisabeth zu heiraten.

Ursprünglich wollte das junge Paar im Deutschen Reich bleiben, doch Trumps US-Staatsbürgerschaft durchkreuzte diese Pläne. Und so kam Sohn Frederick, Donalds Vater, 1905 in New York zur Welt, wo die Trumps in eine kleine Baufirma investierten, die der Enkelsohn ab den 1980er-Jahren in ein Merchandising-Imperium verwandelte. Die Spanische Grippe hatte Großvater Friedrich bereits 1918 dahingerafft, sein Sohn Fred fing in der Depression nach dem Ersten Weltkrieg wieder fast von ganz unten an. Der Aufstieg der Trumps symbolisiert den American Dream, die prototypische Erfolgsgeschichte, die Friedrich Trump in Deutschland wohl verwehrt geblieben wäre.

In Kallstadt hat die Karriere der Trumps von Friseuren zu Baulöwen indessen keinen Neid ausgelöst, wenigstens nicht in der Gegenwart. Ohnedies hat der Name Heinz hier einen besseren Klang, zumal die Familie großzügig für die Kirchenorgel gespendet hat. So eine Geste zählt viel in dem kleinen Dorf. Einen Präsidenten Trump mag sich hier niemand so recht vorstellen, obwohl er dem Ort bei einem Deutschland-Trip wohl einen Besuch abstatten würde. Dabei würde ihm, so viel steht fest, ein Saumagen vorgesetzt und ein Weißwein aus heimischem Anbau kredenzt werden – zumindest den Wein würde der bekennende Antialkoholiker ausschlagen, was ihn den Kallstädtern per se verdächtig machen würde. ?

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.10.2016)

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