Brüssel und Berlin einig über Maut

Flugzeuge queren Autobahn bei Nacht
Flugzeuge queren Autobahn bei Nacht(c) www.BilderBox.com
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Die deutsche Regierung passt ihre Pläne zur Einführung einer Pkw-Maut an Vorgaben der EU-Kommission an. Ihre EuGH-Klage gegen das Gesetz dürfte damit vom Tisch sein.

Brüssel. Fast hatte es schon danach ausgesehen, als würde die geplante Pkw-Maut in Deutschland das Licht der Welt nie erblicken – selbst für die EU-Kommission war die darin verankerte Benachteiligung ausländischer Fahrzeuge auf deutschen Autobahnen zu augenscheinlich, um die Angelegenheit ruhen zu lassen. Nachdem die Brüsseler Behörde Ende September angekündigt hatte, Berlin wegen des Mautgesetzes vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen, schien das Schicksal der Gesetzesinitiative besiegelt. Doch Totgesagte leben bekanntlich länger: Nachdem die Regierung in Berlin offenbar einen Weg gefunden hat, das Mautgesetz an die Vorgaben aus Brüssel anzupassen, wird die Kommission ihren Widerstand aller Voraussicht nach aufgeben. In den vergangenen Wochen habe es in den Gesprächen mit Berlin „gute Fortschritte“ gegeben, sodass „in den nächsten Wochen“ ein Kompromiss gefunden werden könnte, sagte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde am gestrigen Freitag.

Die Pkw-Maut ist die fixe Idee der Christlich-Sozialen Union (CSU), der kleinen bayrischen Schwester der Regierungspartei CDU. Die Bayern, die stets kritisiert hatten, dass sie im benachbarten Österreich zur Kasse gebeten werden, zogen 2013 mit dem Versprechen in die Bundestagswahl, sich für die österreichische Vignette zu revanchieren – und zwar mit einer Maut, die nur EU-Ausländer belastet und deutsche Autofahrer schont. Nach der Wahl präsentierte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine entsprechende Gesetzesinitiative: Demnach sollte die Pkw-Maut zwar für alle Autos auf deutschen Straßen gelten, in der Bundesrepublik gemeldete Fahrzeuge würden aber die Vignettenkosten 1:1 rückerstattet bekommen – und zwar über den Umweg eines Rabatts bei der Kfz-Steuer. Diese „Infrastrukturabgabe“ wurde zwar bereits im Vorjahr beschlossen, umgesetzt wurde sie aber nicht, da die Brüsseler Behörde Bedenken anmeldete. Gemäß EU-Recht darf ein Mitgliedstaat Verkehrsteilnehmer aus dem Ausland nicht benachteiligen.

Rabatt entkoppelt

Der endgültige Kompromissvorschlag der deutschen Regierung liegt noch nicht vor, Medienberichten zufolge ist Berlin der EU-Kommission in zwei strittigen Punkten entgegengekommen. Kritikpunkt Nummer eins war die augenscheinliche Abgeltung der Vignettengebühren mittels Steuernachlass. Demnach soll der Rabatt nun an den Schadstoffausstoß des jeweiligen Fahrzeugs gekoppelt werden – was dazu führen könnte, dass umweltfreundliche Autos in den Genuss eines höheren Steuernachlasses kommen als die Jahresvignette kostet. Der direkte Zusammenhang zwischen Maut und Kfz-Steuer wäre so nicht mehr gegeben.

Das zweite Entgegenkommen bezieht sich auf die EU-Kritik, wonach die ursprünglich geplanten Vignetten mit kürzerer Geltungsdauer gegenüber der Jahresvignette unverhältnismäßig teuer waren. Wie es gestern aus dem Berliner Verkehrsministerium hieß, werde es bei der Preisgestaltung Anpassungen geben. In Medien war davon die Rede, dass der ursprüngliche Preis von fünf Euro für eine Zehntagesvignette halbiert werden soll. Dobrindt selbst ging gestern davon aus, dass der Kompromiss mit der EU-Kommission noch im November stehen soll. Mit der tatsächlichen Einführung der Maut sei aber nicht vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 zu rechnen.

Leichtfried warnt

In Österreich, das aufgrund seiner geografischen Lage – Stichwort Kleines und Großes Deutsches Eck – von der deutschen Maut besonders stark betroffen sein wird, zeigte man sich gestern wenig begeistert. „Es liegt der Eindruck nahe, dass sich die EU-Kommission auf einen Kuhhandel einlässt, um einem Konflikt mit Deutschland aus dem Weg zu gehen“, kritisierte Verkehrsminister Jörg Leichtfried. Sobald das Mautmodell präsentiert wird, werde es von der Regierung in Wien auf seine Kompatibilität mit dem EU-Recht geprüft. „Wir behalten uns weitere Schritte vor“, warnte Leichtfried. Österreich sei nicht gegen eine Pkw-Maut per se, sondern gegen eine Diskriminierung von EU-Ausländern.

AUF EINEN BLICK

Die Pkw-Maut war der Wahlkampfschlager der bayrischen CSU bei der Bundestagswahl 2015. Versprochen hatte die CSU ihren Wählern eine Gebühr, die nur ausländische Autofahrer zu zahlen hätten. Ursprünglich sollten deutsche Autobesitzer die Kosten der Jahresvignette über einen Kfz-Steuernachlass 1:1 refundiert bekommen. Nachdem die EU-Kommission darin eine Diskriminierung sah, wurden die Pläne nun modifiziert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.11.2016)

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