Als das Buhlen um den Skinachwuchs politisch wurde

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Gratisliftkarten und Rabatte auf Ski für Lehrer, die Skikurse organisieren: Die Wintersportindustrie versuchte vieles, um die Jugend auf die Piste zu locken. Mit wenig Erfolg. Nun soll es die Politik richten.

Wien. Zum Start der Wintersaison gibt es Schnee. Und dennoch schlechte Nachrichten für die Wintersportindustrie. Vor allem, da sie sich diesmal mit ihrer Kampagne zur Rettung der österreichischen Schulskikurse in Sicherheit wähnte: Man wollte Lehrern 40 Prozent beim Kauf ihrer privaten Ausrüstung nachlassen. Das Okay vom Bildungsministerium hatte man im Sommer eingeholt. Der Plan des „Netzwerks Winter“: den schleichenden Rückgang der Skikurse und die damit einhergehende Gefahr für den sieben Mrd. Euro schweren Wirtschaftszweig Wintersport etwas abzubremsen. Doch dann entschied der Rechnungshof Ende Oktober, dass jeder Lehrer, der das Angebot annimmt, gegen das Dienstrecht verstößt.

Das Ringen um die Jungen geht in die nächste Phase. 1995 wurde die Pflicht zur Durchführung von Schulskikursen aufgehoben. Die Schülerzahl sank von 252.000 1979 auf 133.300 im Winter 2010. Neuere Daten gibt es nicht. Tourismusvertreter sind aber sicher: Gäbe es Zahlen, wären sie noch trister.

Weshalb das Netzwerk Winter – sprich Skiindustrie, Skilehrerverband, Tourismus und Seilbahnen – schon 2014 die Reißleine ziehen wollten. Etwas zu heftig, scheint es. Denn die gratis angebotenen Zweitagespässe für Lehrer, mit denen sie Salzburger Skigebiete erkunden konnten, zogen das Interesse der Staatsanwälte auf sich. Die Anklage lautete auf Anfütterung. Die Verfahren endeten mit Freisprüchen, betont Manfred Katzenschlager, Bundesgeschäftsführer für Tourismus in der WKO. Das zeige den fehlenden Unrechtsgehalt solcher Services mit dem Ziel, „Schüler und Lehrer ohne Verpflichtung wieder zum Skifahren zu bringen“.

Dass alle, die vom Wintersport leben, ein wirtschaftliches Interesse haben, dass der heimische Nachwuchs nicht wegbricht, wird von der WKO weniger gern betont. Man habe in den Neunzigern nicht bedacht, was man volkswirtschaftlich mit der Aufhebung der Pflicht anrichtet, sagt dazu Tourismusforscher Peter Zellmann. Nach seinen Berechnungen stieg die Zahl derer, die niemals auf Ski steigen, seit 1987 von 47 auf 64 Prozent. „In 20, 30 Jahren wird auch das verbliebene obere Einkommensdrittel im Wintertourismus weggefallen sein. Wenn die Industrie der Unlust gegensteuern will und verbilligten Zugang zur Ausrüstung ermöglicht, hat das nichts mit Bestechung zu tun.“

Überraschender Rückschlag

Franz Schenner, der Sprecher des Netzwerks, war 2014 einer der Angeklagten. Dass der damals von der Staatsanwaltschaft unangetasteten Rabattaktion nun ein Riegel vorgeschoben werden soll, trifft bei ihm auf Unverständnis. „Wir wollen nicht streiten, sondern Unterstützung“, sagt Schenner. Die vom Salzburger Landeshauptmann und Netzwerkgründer Wilfried Haslauer (ÖVP) ist naturgemäß da. Im Sommer sicherte die Landeshauptleutekonferenz unter seinem Vorsitz Rückendeckung zu. Nun hat sie ein Ersuchen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen bei Skikursen an die Regierung gerichtet.

Doch die Töne aus dem Bildungsministerium, mit dem die Wirtschaft auf einen grünen Zweig kommen muss, deuten auf keine rasche Lösung hin. Aus dem Kabinett von Ministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) heißt es, die Sachlage sei nach der Rechnungshof-Entscheidung klar. Die 40-Prozent-Aktion falle unter den Werbeerlass an Schulen. Man stehe nicht in Gesprächen zu der Causa.

Glaubt man Schenner, wird hinter verschlossenen Türen sehr wohl heftig lobbyiert. Sowohl mit Ministeriumsmitarbeitern als auch der Lehrergewerkschaft sei man in Kontakt. Forderungen nach einer Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen seien an höchsten Stellen deponiert. Ziel ist ein neuer Erlass des Bildungsministeriums, der die Rabattaktion vom Werbeerlass ausnimmt. Schenner: „Wir wollen niemanden in Gefahr bringen, das Dienstrecht zu verletzen. Wir wollen nur offenlegen, dass wir eine Skination sind und eigenen Nachwuchs brauchen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.11.2016)

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